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Biokohle: Vielfältige Eigenschaften machen verallgemeinerte Aussagen zur Wirkung auf Bodenfunktionen kaum möglich

Am Ende darf Klimaschutz nicht auf Kosten des Bodenschutzes geschehen

Hintergrund
Seit mehr als einem Jahrzehnt erforschen weltweit eine Vielzahl von WissenschaftlerInnen die Möglichkeiten, mit Hilfe des Terra-Preta-Konzepts dem Klimawandel durch die Speicherung von Kohlenstoff im Boden entgegenzuwirken und gleichzeitig die Landwirtschaft der Zukunft zu revolutionieren. Aber die großen Erfolge blieben bisher aus. Insbesondere in den gemäßigten Breiten sind die Ergebnisse eher ernüchternd. Es ist richtig, dass mit Hilfe von Biokohle oder auch Pflanzenkohle genannt, Böden Kohlenstoffsenken darstellen können. Dies ist jedoch nur nachhaltig, wenn gleichzeitig ein agronomischer Vorteil durch die Einbringung erzielt werden kann und negative Auswirkungen auf Bodenfunktionen ausgeschlossen werden können. Und genau das, so stellt sich inzwischen heraus, kann verallgemeinert für alle Biokohleanwendungen nicht vorherbestimmt werden. Aufgrund des breiten Spektrums an Ausgangsmaterialien und Produktionsverfahren variieren die Eigenschaften der Pflanzenkohle und damit auch ihre Wirkungen auf Böden und Kulturpflanzen stark. Dies macht generelle Aussagen, z.B. zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, kaum möglich.


Variabilität der Ausgangsmaterialien und Produktionsverfahren von Biokohle
Mögliche Ausgangsmaterialen sind vielfältig. Es können alle unbelasteten Arten von land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen (z.B. Stroh, Gülle, Gärreste), organischen Abfallstoffen (z.B. Reste der Zellstoffproduktion und Lebensmittelindustrie, Abfälle aus der Biotonne) und Reststoffe von nachwachsenden Rohstoffen (z.B. Maiskolben oder Gärreste) herangezogen werden (Abbildung 1). Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen selbst wird auf Grund von Nutzungskonkurrenz weitgehend ausgeschlossen. Da die Produktionskosten für Biokohle noch eher hoch sind, kommen derzeit nur Reststoffe in Frage, die einen sehr geringen Wert besitzen oder für deren Entsorgung bezahlt werden muss.

Beispiele für Ausgangsmaterialien für BiokohleAbb. 1: Beispiele für Ausgangsmaterialien für Biokohle: Bioabfall (links oben), Wirtschaftsdünger (rechts oben), Grünschnitt (links unten), Reststoffe von nachwachsenden Rohstoffe (rechts unten) Quelle: A. Möller

Auch die Produktionsverfahren zeigen eine hohe Bandbreite. Die pyrolytische Verkohlung aus rein organischen Ausgangsstoffen ist das ursprüngliche Verfahren zur Biokohleherstellung für eher trockene Biomassen. Mitunter werden aber auch Produkte der Torrefizierung und der hydrothermalen Carbonisierung (HTC) zu den Biokohlen gezählt. Die pyrolytische Verkohlung findet bei Temperaturen zwischen 400°C und 1100°C und einer Reaktionszeit von wenigen Sekunden (Flash-Pyrolyse) bis zum langsamen Verschwelen statt. Torrefizierung stellt eine Pyrolyse bei niedrigen Temperaturen (kleiner 300°C) dar. Während HTC-Kohlen aus feuchter Biomasse bei hohen Drücken (15 bis 55 bar) und Temperaturen zwischen 180°C bis 300°C hergestellt werden. Je länger die Reaktionszeit und je höher die Temperatur oder der Druck ist, desto vollständiger ist die Inkohlung und damit die Stabilität der Biokohle im Boden gegenüber ihrem mikrobiellen Abbau. Mit zunehmenden Drücken und Temperaturen sinkt allerdings die Biokohleausbeute. Im Vergleich zur Pyrolysekohle wird die HTC- oder Torrefizierungs-Kohle im Boden schneller abgebaut und gleicht eher der Stabilität von Komposten bzw. Torfen.

Holzkohle (Bild links), Vergasungskoks (Bild Mitte), Flash-Pyrolyse-Koks aus Fichtenholz (Bild rechts)Abb. 1: Unterschiedliche Verfahren und Ausgangsmaterialien führen zu sehr unterschiedlichen biogeochemischen Eigenschaften von Biokohlen. Während Holzkohle (Bild links) und Vergasungskoks (Bild Mitte) aus Buchenholz sehr porös sind und eine große Oberfläche besitzen, ist der Flash-Pyrolyse-Koks aus Fichtenholz (Bild rechts) überzogen mit einer Harzschicht und besitzt damit eine geringe Oberfläche. Quelle: BGR

Die hohe Variabilität der Ausgangsmaterialien und der Produktionsverfahren führt zu einer Vielzahl von Produkten mit unterschiedlichen Eigenschaften (z.B. pH-Wert, Oberfläche, Nährstoffgehalt und Speicherfähigkeit von Wasser und Nährstoffen). Die Komplexität wird noch zusätzlich erhöht, da Biokohle zumeist in Terra-Preta-Substraten angewendet wird. Zur Herstellung von Terra-Preta-Substraten wird Biokohle mit unterschiedlichen Materialien wie Grünschnitt, Kompost, Gärresten, Mist und Mineralstoffen vermischt und anschließend größtenteils zusätzlich fermentiert oder kompostiert. Dies bedingt eine sehr große Spanne von unterschiedlichen Eigenschaften und damit auch Wirkungen auf Bodenfunktionen, die eine generelle Betrachtung von Biokohle in der Landwirtschaft sehr schwierig macht.


Terra-Preta als Modell für die landwirtschaftlichen Böden der Tropen?
Als Vorbild für das Terra-Preta-Konzept gelten die Terra-Preta-Böden, die sogenannten „Indianer Schwarzerden“ im Amazonasgebiet in Brasilien. Der Ursprung dieser Böden ist auf viele hunderte Jahre alte Siedlungsflächen der damaligen Ureinwohner zurückzuführen. Die Terra-Preta-Böden sind im Vergleich zu den natürlichen tropischen Böden deutlich fruchtbarer. Aber auch diese Böden müssen ausreichend gedüngt werden, um hohe Erträge zu erzielen (Abbildung 3).

Landwirtschaftlich genutzter Terra-Preta-Boden im Amazonas Gebiet Brasiliens.Abb. 3: Landwirtschaftlich genutzter Terra-Preta-Boden im Amazonas Gebiet Brasiliens. Auch der fruchtbare Boden muss ausreichend gedüngt werden, um hohe Erträge zu erzielen. Helle Stellen = stickstoffhaltiger Mineraldünger Quelle: Fotos: A. Möller

Mit Hilfe von Biokohle bzw. Terra-Preta-Substraten wird versucht, die Eigenschaften der Terra-Preta-Böden bei anderen Böden nachzubilden und so die Fruchtbarkeit der Böden zu erhöhen. Ein Review von Jeffrey et al. (2011) zur Wirkung von Biokohle auf den Ertrag unter Einbeziehung von Untersuchungen vor allem aus den Tropen zeigt eine durchschnittliche Ertragssteigerung von 10%. Ein Großteil der positiven Effekte ist dabei allerdings auf die beigemischen nährstoffhaltigen oder pH-wirksamen Bestandteile der Biokohle bzw. Terra-Preta-Substrate (z.B. Ascheanteil der Biokohle, Kompost oder Gärreste) zurückzuführen und nicht auf die Kohle selbst. Tropische Böden sind sehr nährstoffarm und stark versauert, wodurch mit kleinen Veränderungen dieser Faktoren (Anhebung des pH-Werts und Zufuhr von Nährstoffen) große Wirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit erzielt werden können. Auch durch die in den Tropen typische Brandrodung wird die Bodenfruchtbarkeit kurzfristig durch die zugeführte Asche und Nährstoffe erhöht. Inwieweit die Wirkung der Biokohle bzw. Terra-Preta-Substrate bei vertretbarem Aufwand wirklich nachhaltig ist, müssen Langzeitversuche noch zeigen. Es gibt bereits Hinweise, dass deren Anwendung in den Tropen langfristig zu einer Verbesserung von Bodenfunktionen beitragen kann, der endgültige Beweis hierfür steht jedoch noch aus.


Ist das Terra-Preta-Konzept übertragbar auf Böden in Deutschland?
Bei einer Bewirtschaftung nach guter landwirtschaftlicher Praxis sind die meisten unserer Böden bereits ähnlich oder sogar fruchtbarer als die Terra-Preta-Böden des Amazonasgebiets (Abbildung 3). Insofern kann bei unseren Böden nicht mit einer signifikanten Steigerung der Bodenfruchtbarkeit gerechnet werden. Dies zeigen auch viele Biokohlestudien in den gemäßigten Breiten, die zumeist keine oder nur eine geringe ertragssteigernde Wirkung von Biokohle belegen. Allerdings basieren diese Studien zumeist auf reinen Biokohleapplikationen und nicht auf der Anwendung von Terra-Preta-Substraten. Andererseits spielt bei der aktuellen landwirtschaftlichen Praxis die organische Bodensubstanz eine untergeordnete Rolle. Für den Ertrag auf Böden in unseren Breitengraden ist vor allem der Einsatz von Düngemitteln und Bewässerung ausschlaggebend. Hinzu kommt, dass einige Studien negative Effekte einer Biokohleapplikation auf den Biomasseertrag aufzeigen (siehe Geobericht 29). In Bezugnahme auf das Bodenschutzgesetz müssen jedoch negative Folgen auf Bodenfunktionen ausgeschlossen werden können, um einen generellen Einsatz von Biokohle in der Landwirtschaft empfehlen zu können. Unter der Voraussetzung der Berücksichtigung des vorsorgenden Bodenschutzes könnten für bestimmte Anwendungsgebiete in der Landwirtschaft und im Gartenbau, z.B. zur Aufbereitung flüssiger organischer Reststoffe (Gülle, Gärreste) oder als Torfersatzsubstrat, bedarfsgerecht entwickelte Biokohleverfahren oder -produkte zum Einsatz kommen.

Vergleich wichtiger Bodenparameter einer Sequenz tropischer Böden mit steigender Fruchtbarkeit und zwei europäischen Böden.Abb. 4: Vergleich wichtiger Bodenparameter einer Sequenz tropischer Böden mit steigender Fruchtbarkeit und zwei europäischen Böden. Quelle: Fotos: LBEG-Bilddatenbank und A. Möller

Möller und Höper (2014) geben im Geobericht 29 einen ausführlichen Überblick über die Potentiale und Risiken des Einsatzes von Biokohle in der Landwirtschaft, bewerten die Risiken im Hinblick auf den vorsorgenden Bodenschutz und zeigen den Handlungsbedarf. So besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, sowie der Bedarf an klaren rechtlichen Vorgaben auf nationaler Ebene, um den Einsatz von Biokohle in der Landwirtschaft aus Sicht des Bodenschutzes rechtfertigen zu können. Der Geobericht hat das Ziel einer stärkeren Sensibilisierung von Wissenschaft und Politik gegenüber Umweltaspekten der Verwendung von Biokohle in der Landwirtschaft, damit Klimaschutz am Ende nicht auf Kosten des Bodenschutzes geschieht.

Literatur

  • Jeffrey, S., Verheijen, F.G.A., van der Velde, M., Bastos, A.C. (2011). A quantitative review of the effects of biochar application to soils on crop productivity using meta-analysis. Agri-culture, Ecosystems and Environment, 144, 175–187.
  • Möller und Höper (2014): Bewertung des Einsatzes von Biokohle in der Landwirtschaftaus Sicht des Bodenschutzes. Geobericht 29

Publikationen zum Thema Biokohle:

Kontakt

    
Dr. Andreas Möller
Tel.: +49-(0)511-643-2612

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