BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Mass Movements in Arctic Regions: Case study Rock Slides in Spitsbergen (MAR)

Projektanfang: 01.03.2019

Projektende: 31.12.2023

Projektstand: 01.05.2023

Neue geowissenschaftliche Erkenntnisse zu natürlichen Versagensprozessen von Hängen und Ableitung von Gefährdungspotenzialen durch gravitative Massenbewegungen unter dem Einfluss des Klimawandels in anthropogen ungestörten arktischen Gebieten.

Abb. 1: Blick auf den Forkastningsfjellet, Spitzbergen. Der post-glaziale Bergsturz wird durch flache und tiefgreifende Massenbewegungen erfasst, die jüngste Felsrutschung ereignete sich im August 2016Abb. 1: Blick auf den Forkastningsfjellet, Spitzbergen. Der post-glaziale Bergsturz wird durch flache und tiefgreifende Massenbewegungen erfasst, die jüngste Felsrutschung ereignete sich im August 2016 Quelle: BGR, Aufnahme vom 30.07.2021


Problemstellung

Gravitative Massenbewegungen wie Hangrutschungen und Bergstürze in Polargebieten stellen eine potentielle Gefährdung und zunehmend auch ein Risiko für die Ansiedlungen in den Küstenregionen dar. Neben der direkten Einwirkung tritt auch die sekundäre Gefährdung durch Flut- oder Verdrängungswellen (auch Hangrutsch-generierte Tsunamis genannt) in den Fokus der aktuellen Forschung. Solche Wellen werden durch subaerische, großvolumige Bergrutsche ausgelöst, die in Fjorde und Seen rutschen und dadurch eine große Wasserverdrängung mit damit einhergehenden hohen Flutwellen hervorrufen. Jüngstes Beispiel ist der Grönland-Tsunami, der im Mai 2017 durch einen Felssturz ausgelöst wurde und die Siedlung Nuugaatsiaq verwüstete.

Es zeigt sich, dass das Problem von Massenbewegungen in Polargebieten und in Hochgebirgslagen bislang noch unzureichend erforscht ist, wobei vor allem der Einfluss der post-glazialen Klimaveränderungen und deren potentieller Einfluss auf die Häufigkeit der Felssturzereignisse weiteren Forschungsbedarf begründet.

Die BGR führt in diesem Zusammenhang auf Spitzbergen/Svalbard ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Norwegischen Geologischen Dienst (NGU) durch, um die natürlichen Versagensprozesse von Hängen unter dem Einfluss des Klimawandels in arktischen Regionen und in Hochgebirgslagen besser zu verstehen. Darauf basierend sollen bessere Abschätzungen der Gefährdungs- und Risikopotenziale durch solche Massenbewegungen generiert werden, so dass eine nachhaltige Raum- und Entwicklungs¬planung unterstützt und das Naturkatastrophen-Risiko vorbeugend vermindert werden kann.


Arbeitsgebiete und Aktivitäten

Arbeitsschwerpunkt ist aufgrund der Nähe zur Hauptstadt Longyearbyen das Rutschungsgebiet Forkastningsfjellet (Abb. 1) am Westrand des Isfjorden. Außerdem wird der instabile Osthang des Garmaksla Tafelbergs am Westrand des Billefjorden bearbeitet.

Im Rahmen von bislang drei Feldkampagnen im Sommer 2019, 2021 und 2022 wurden umfangreiche Feldarbeiten durchgeführt, die neben Kartierungen und Probennahmen die drohnengestützte Befliegung der gesamten Arbeitsgebiete umfasste. Um die maximale Ausdehnung der postglazialen Felsrutschungen zu erfassen und potentielle submarine Hang-rutschbereiche mit Einflusspotential auf die Kliffküsten identifizieren zu können, wurden seeseitige, bootsgestützte bathymetrische Untersuchung der jeweils vorgelagerten Fjordbereiche durchgeführt.

Auf der Grundlage von neuinstallierten GPS-Messpunkten wird seit 2019 am Forkastningsfjellet ein vermessungstechnisches Monitoring metastabiler Hangbereiche durchgeführt. Dies wird durch die multitemporale Drohnenbefliegung unterstützt, die durch visuellen Vergleich die jährlichen Veränderungen dokumentiert (“change detection”) und zur Kartierung der flachen Massenbewegungen der Auftauzone oberhalb des Permafrost herangezogen wird.

Diese Thermokarst-Strukturen und “active layer detachments” belegen die zunehmende Degradation des Permafrosts und den lokal zunehmenden erosiven Abtransport des aufgetauten Bodens. Dies wird z. B. eindrucksvoll durch jüngst aufgetretene, einige Meter tiefe Schlucklöcher dokumentiert, die sich entlang von vererbten strukturellen Schwächezonen entwickelt haben. Das hier versickernde Oberflächen- und Schmelzwasser reicht tief in den Permafrostbereich hinein und beeinflusst so auch die Stabilität des angrenzenden Gebirges.

Bisherige Ergebnisse der Untersuchungen sind in der Referenzliste zusammengestellt.


Referenzen:

  • Schiermeier, Q. (2017): Huge landslide triggered rare Greenland mega-tsunami. Nature News. doi:10.1038/nature.2017.22374.
  • Kuhn, D., Redfield, T. F., Hermanns, R. L., Fuchs, M., Torizin, J. & Balzer, D. (2019): Anatomy of a mega-rock slide at Forkastningsfjellet, Spitsbergen and its implications for landslide hazard and risk considerations. – Norwegian Journal of Geology 99, Issue 1, S. 41-61;. https://dx.doi.org/10.17850/njg99-1-03
  • Kuhn, D., Hermanns, R. L., Torizin, J., Fuchs, M., Redfield, T. F., Eilertsen, R., Balzer, D. (2019): Forkastningsfjellet Rock Slide, Spitsbergen: State of Activity in a Changing Climate. In: Vilímek V., Wang F., Strom A., Sassa K., Bobrowsky P.T., Takara K. (eds) Understanding and Reducing Landslide Disaster Risk. WLF 2020. ICL Contribution to Landslide Disaster Risk Reduction. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-60319-9_21
  • Kuhn, D., Torizin, J., Fuchs, M., Hermanns, R. L., Redfield, T. F., Balzer, D. (2021): Back analysis of a coastal cliff failure along the Forkastningsfjellet coastline, Svalbard: Implications for controlling and triggering factors. Geomorphology 389. https://doi.org/10.1016/j.geomorph.2021.107850
  • Kuhn, D., Hermanns, R. L., Torizin, J., Fuchs, M., Schüßler, N., Eilertsen, R., Redfield, T. F., Balzer, D., Böhme, M. (2023): Litho-structural control on rock slope failures at Garmaksla, Billefjorden coastline, Svalbard. Quarterly Journal of Engineering Geology and Hydrogeology, 56. https://doi.org/10.1144/qjegh2022-069


Kontakt:

    
Dr. Dirk Kuhn
Tel.: +49-(0)511-643-2691
Fax: +49 (0)511-643-532691

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