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Simulierte Verdachtsfälle auf Vertragsverletzung

National Data Centre Preparedness Exercises

Um den Nationalen Datenzentren aller Vertragsstaaten eine Möglichkeit zu geben, die Prozeduren der Auswertung der Verifikationstechnologien zu üben und den Austausch untereinander zu stärken, organisiert die BGR regelmäßig sogenannte NDC-Preparedness-Exercises (NPE). In diesen werden nach bestimmten Kriterien ausgewählte seismische Ereignisse, wie beispielsweise Minensprengungen, als fiktive mögliche Vertragsverletzung dargestellt. Die Komponente der Radionuklide und deren atmosphärischen Transports bleibt dabei fiktiv. Basierend auf einem Emissionsszenario werden hypothetische Aktivitätskonzentrationen an den Standorten der Radionuklidstationen mittels Atmosphärischer Transportmodellierung berechnet.
Die Ergebnisse der Übungen werden dann im Rahmen der NDC-Workshops und auf Fachtagungen intensiv diskutiert, um daraus hilfreiche Schlüsse für die Arbeit an den Nationalen Datenzentren zu ziehen.
In den Anfangsjahren der Übung diente diese vor allem dazu, die Abläufe des Datenbezugs über das Internationale Datenzentrum und die Datenanalyse technisch zu bewerkstelligen und auch Schwachstellen aufzuzeigen. Im weiteren Verlauf wurden die Szenarien zunehmend komplexer. Die Simulationen des atmosphärischen Transports bei den Übungen 2008 und 2009 waren noch nicht mit einem konkreten Emissionsszenario verknüpft, sondern dienten zum reinen Test von Atmosphärenmodellen und der Anfrageprozeduren im Rahmen der CTBTO-WMO Kooperation, bei der regionale meteorologische Zentren Ergebnisse zusätzlicher Rückwärtsrechnungen für die betroffenen Luftproben zur Verfügung stellen. Die NPE 2010 hatte erstmals ausschließlich hypothetische Radionuklidmessungen als Ausgangspunkt. Die Teilnehmer erhielten lediglich fiktive Xenonkonzentrationen aus einem idealisierten Messnetz mit voll funktionsfähigen Edelgassystemen an allen 80 Radionuklidstationsstandorten und mussten potenziell zu untersuchende seismische Ereignisse erst durch Rückverfolgung mittels atmosphärischer Transportmodellierung bestimmen. Die Lösung führte zu einer großen Sprengung im offenen Kohlebergbau in Wyoming, die auch eine sehr prägnante Infraschallsignatur an der kanadischen Station IS10 hervorrief.

Beispiel der zusammenführenden Multitechnologieauswertung für die NPE 2010Beispiel der zusammenführenden Multitechnologieauswertung für die NPE 2010: Das Quellgebiet der Radionuklide wurde bestimmt, die seismischen Ereignisse wurden auf ihren Explosionscharakter untersucht und mit der Infraschallsignatur zusammengeführt. Quelle war eine offene Minensprengung in Wyoming Quelle: BGR

Das Prinzip wurde bei der NPE 2012 noch einmal wiederholt. Diesmal wurde für die Erstellung des Szenarios der tatsächliche Betriebszustand des Radionuklidmessnetzes berücksichtigt. Die Rückverfolgung der fiktiven Radionukliddetektionen (hier Xenon und Jod) führte auf zwei kurz aufeinanderfolgende Sprengungen in Südsibirien, die seismologisch näher untersucht werden konnten.

Das bisher komplexeste Szenario, das auch eine politisch-diplomatische Komponente umfasste, war das zur NPE 2013. Hier wies ein fiktiver Staat darauf hin, dass es in seinem Nachbarstaat „Frisia“ am 4. September 2013 ein verdächtiges seismisches Ereignis gegeben hätte und präsentierte zudem raum-zeitlich scheinbar korrelierte Detektionen von Xenon und Jod. Die Aufgabe war nun zu untersuchen, ob eine Anschuldigung gerechtfertigt und damit die Beantragung einer Vor-Ort-Inspektion in Frisia begründet wäre. Tatsächlich ereignete sich in Frisia am fraglichen Tag ein induziertes Erdbeben im Rahmen von Aktivitäten der Gasförderung bei Groningen. Die Isotopensignatur der Radionuklide deutete aber auf einen Reaktor als Quelle. Im Szenario wurden moderate Freisetzungen eines fiktiven Zwischenfalls eines 600 km entfernten Kernkraftwerkes angenommen, die zu den hypothetischen Detektionen führten. Die Lösung war in diesem Fall folglich, die Anschuldigung gegen Frisia als unbegründet zurückzuweisen.

Übersicht bisheriger NPE-SzenarienÜbersicht bisheriger NPE-Szenarien Quelle: BGR

Für die NPE 2015 wurde von der BGR nur der seismologische Rahmen und die Organisationsstruktur für die Durchführung der Übung gestellt: Der fiktive Staat ENPEDOR, der das seismisch recht aktive Bergbaugebiet nahe dem polnischen Lubin umfasst, sollte im Oktober und November 2015 aufgrund eines Anfangsverdachts genauer überwacht werden - in dieser Zeit stand es dem Radionuklid-Kontrollteam frei, ohne Wissen der übrigen Teilnehmer ein Triggerereignis für den Radionuklidteil der Übung zu wählen.

Das Radionuklidszenario der NPE 2015 wurde von einem internationalen Team unter Koordination des österreichischen NDC erstellt. Erstmals wurden den Teilnehmern synthetische Spektren und nicht Aktivitätskonzentrationen vorgegeben. Diese wurden von BfS-Freiburg aufwändig analysiert und eine gemeinsame Lösung von BfS und BGR beim NDC-Workshop 2016 in Dublin vorgestellt. Das Szenario umfasste viele betroffene Radionuklidstationen mit reichhaltigen Detektionen, es gelang aber nicht, gemäß klassischer Isotopenuhren auf einen eindeutigen, zwischen Partikel- und Edelgasbefund konsistenten Explosionszeitpunkt zu schließen, was die Vermutung mehrerer Quellen nahelegte. Die gemäß atmosphärischer Transportmodellierung (ATM) in Frage kommenden seismischen Ereignisse im als fiktivem Staat ENPEDOR bezeichneten Verdachtsgebiet lassen sich mittels Ähnlichkeitsanalyse als für die Region Lubin typische, durch Bergbau induzierte Erdbeben klassifizieren. Trotzdem passten zwei der betrachteten REB-Ereignisse gemäß ATM raum-zeitlich sehr gut zu den Radionukliddetektionen.

Die Offenlegung des Szenarios zeigte dann zwei Nuklearexplosionen - eine unterirdische, die mit einem der erwähnten REB-Ereignisse verknüpft ist und bei der nur gasförmige Spaltprodukte entwichen. Hinzu kam etwa 750 km westlich und einen Tag später eine atmosphärische Explosion geringer Ladungsstärke, deren Freisetzungen sich mit denen der anderen Explosion mischten. Die zweite Explosion war nicht über ein Wellenformereignis ausfindig zu machen, insbesondere gab es im potentiellen Quellgebiet der Radionuklide keine Ereignisse mit assoziierten Infraschalldetektionen, die bei einer realen atmosphärischen Explosion zu erwarten gewesen wären. Damit war zwar möglich, über die Isotopenverhältnisse auf die Existenz der zweiten Quelle zu schließen, diese war aber nicht hinreichend lokalisierbar.
Die NPE-Szenarien und die federführende Rolle Deutschlands werden international hoch geschätzt, da sie Gelegenheit bieten, die zusammenführende Auswertung der Verifikationstechnologien an den Nationalen Datenzentren weiter zu entwickeln.

Kontakt 1:

    
Dr. Ole Roß
Tel.: +49-(0)511-643-3326
Fax: +49-(0)511-643-3663

Kontakt 2:

    
Nicolai Gestermann
Tel.: +49-(0)511-643-3156
Fax: +49-(0)511-643-3663

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