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INDEX2019-Logbuch

Diese Seite bietet Informationen, Fotos und Videos zur BGR-Expedition in den Indischen Ozean im Dezember 2019, Projekt Metallsulfidvorkommen am Meeresboden – INDEX2011, INDEX2012, INDEX2013. INDEX2016, INDEX2017, INDEX 2019

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 17.12.2019

Blog #13: Die perfekte Forschungsplattform

116 Meter lang und 20 Meter breit war unser schwimmender Mikrokosmos. 38 Meter hoch ragte er über die Wasserlinie des Indischen Ozeans auf. Das deutsche Forschungsschiff SONNE war während unserer INDEX2019-Exploration sieben Wochen lang unser Arbeits- und Lebensmittelpunkt. Es gehört zu den modernsten Forschungsschiffen der Welt. Kein anderes Schiff ermöglicht den Einsatz so vieler verschiedener Messgeräte für die Meeresforschung.

Blick vom Peildeck auf das Heck des Forschungsschiffes SONNEBlick vom Peildeck auf das Heck des Forschungsschiffes SONNE Quelle: BGR



Am 14.11.2014 in Wilhelmshaven in den Dienst gestellt bestreitet die SONNE mit unserer INDEX2019-Exploration ihre 48. Reise. 1468 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat das Schiff seitdem beherbergt. Darunter 479 Forschende aus anderen Nationen. Zirka 230 000 Seemeilen hat sie schon auf dem Buckel, was fast der elffachen Umrundung des Äquators entspricht. Die SONNE zeichnet außerdem ein hervorragendes Seeverhalten aus, auch bei stärkerem Seegang. Ein Pumpjet mit 5 Metern Durchmesser hält das Schiff metergenau auf Position. Dies ermöglicht eine sehr präzise Positionierung der Messgeräte am Meeresboden und damit eine gezielte Probennahme. Auch exakte Linienführung von Messgeräten, die knapp über dem Meeresboden geschleppt werden müssen, wie das Echolot-Gerät HOMESIDE sind kein Problem. Mittels ein- und ausfahrbarer Propeller am Boden kann das Schiff in alle Richtungen manövriert werden, ganz wie es die Forschung verlangt.

Zwei Winden mit jeweils 12 Kilometer langen Kabeln, ein Glasfaserkabel für Datenübertragung bis zum Meeresboden und ein Stahlkabel, sind geschützt vor Wind und Wetter auf Deck 1 untergebrachtZwei Winden mit jeweils 12 Kilometer langen Kabeln, ein Glasfaserkabel für Datenübertragung bis zum Meeresboden und ein Stahlkabel, sind geschützt vor Wind und Wetter auf Deck 1 untergebracht Quelle: BGR

Ein 12 Kilometer langes Glasfaserkabel auf einer riesigen Winde im Bauch des Schiffes sorgt für die nötige Datenübertragung bis zu der tiefsten Meeresrinne der Ozeane. Für Geräte, die Sediment erbohren oder Gesteine vom Meeresboden einsammeln, wie das Schwerelot oder die Dredge, hält die SONNE ein 12 Kilometer langes Stahlkabel vor.

Eine perfektere Plattform für unsere INDEX-Exploration und Meeresforschung konnten wir 39 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler uns gar nicht vorstellen. Alles liegt eng beieinander. Der Weg zur Arbeit kann nicht kürzer sein. Ein intensiver, fachlicher Austausch unter Experten und Expertinnen unterschiedlichster Disziplinen findet von einer Tür zur nächsten statt. Die Zeit, in der die Forschenden allein in ihrem Elfenbeinturm saßen, ist längst vorbei. Wissenschaft von heute ist international und digital miteinander vernetzt. Transparenz ist angesagt. Ein tägliches Meeting am Morgen mit allen 39 Forscherinnen und Forscher gehörte bei uns dazu. Abendliche Fachvorträge rundeten das wissenschaftliche Tagesprogramm häufig ab.

Alle Arbeiten auf einem Schiff können nur im Team bewältigt werden. Für die erfolgreiche Abwicklung der Expedition stand uns Forschenden eine 29-köpfige Schiffscrew zur Seite. Mal eben schnell den Notdienst oder den Handwerker anrufen, wie an Land, geht nicht. Hier wird alles mit Bordmitteln gemacht. Kapitän Lutz Mallon sorgt dafür, dass alles an Bord reibungslos läuft. Er sagt klipp und klar, was geht und was nicht. Dabei muss er die Wünsche der Wissenschaft und die damit verbundenen Anforderungen an die Schiffstechnik und an seine Crew unter einen Hut bringen. Denn: Die letzte Entscheidung an Bord trifft immer der Kapitän. Dafür braucht es viel Erfahrung sowohl als Nautiker als auch im Umgang mit Menschen. Seit über 17 Jahren übernimmt er diese große Verantwortung nun schon. Drei weitere Nautiker unterstützen ihn dabei. Sie halten die SONNE Tag und Nacht auf Kurs. Tief unten im Bauch des Schiffes sorgt eine neunköpfige Maschinen-Crew im 24-Stundenbetrieb dafür, dass stets alle Motoren laufen, sämtliche Geräte sowie Kräne und Winden mit Strom versorgt werden und warmes, sauberes Wasser aus meinem Duschkopf läuft.

Bootsmann Torsten Bierstedt (v. re. n. li.), Matrose Benjamin Brüdigam und BGR-Mechaniker Ragnar Fröhlich hieven eine volle Dredge mit Gesteinsbruchstücken vom Meeresboden an Bord der SONNEBootsmann Torsten Bierstedt (v. re. n. li.), Matrose Benjamin Brüdigam und BGR-Mechaniker Ragnar Fröhlich hieven eine volle Dredge mit Gesteinsbruchstücken vom Meeresboden an Bord der SONNE Quelle: BGR

Auf Deck sind der Bootsmann und seine 7 Matrosen rund um die Uhr sowie bei Wind und Wetter auf den Stationen im Einsatz. Während unserer INDEX2019-Expedition haben sie auf 131 Stationen wissenschaftliche Messgeräte zu Wasser gelassen und wieder an Bord gezogen. Daneben warten sie die Werkzeuge, sortieren Schekel oder befreien das Schiff von seinen Rostspuren. Die drei Mann vom wissenschaftlich, technischen Dienst stellen die nötige Internettechnik und Elektronik für die wissenschaftlichen Geräte und die Labore bereit, damit wir unsere Daten untereinander und mit dem Rest der Welt austauschen können. Der Wirtschaftsbetrieb versorgt uns Tag für Tag mit leckerem Frühstück, Mittag, Kaffee und Kuchen sowie Abendbrot und reinigt die Kammern, Flure und Sozialräume. Ein kleiner Shop ist auch an Bord, sollte mal die Seife ausgehen. Und für den Notfall steht ein Hospital bereit, das mit einer Ärztin oder einem Arzt besetzt ist.

Hermann Pregler (li.) und Wolfgang Borchert (re.) vom wissenschaftlich-technischen Dienst stellen die nötige Internettechnik und Elektronik für die Datenübertragung an Bord und in die Welt bereitHermann Pregler (li.) und Wolfgang Borchert (re.) vom wissenschaftlich-technischen Dienst stellen die nötige Internettechnik und Elektronik für die Datenübertragung an Bord und in die Welt bereit Quelle: BGR

Dies ist mein letzter Blog für die INDEX2019-Ausfahrt. Bei allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möchte ich mich ganz herzlich für ihr stets offenes Ohr und die vielen interessanten Gespräche über ihre Aufgaben hier an Bord bedanken. Sie bilden die Grundlage für meine Blogs. Leider konnte ich auch auf dieser Expeditionsfahrt nicht über alle spannenden Experimente an Bord berichten. Dazu sind die einzelnen Forschungsthemen und -ziele viel zu komplex. Wenn Sie beim Lesen meiner Blogs das Gefühl hatten, mir über die Schulter geschaut zu haben, dann freut mich das sehr. Denn es war mein Ziel, Ihnen meine Eindrücke von den aktuellen Explorations- und Forschungsarbeiten der INDEX2019-Ausfahrt so verständlich und spannend wie möglich näher zu bringen.

Bei Kapitän Lutz Mallon und seiner Crew möchte ich mich ganz herzlich für die freundliche Aufnahme, die gute Unterstützung bei meinen Foto- und Filmaufnahmen sowie für die leckere Verpflegung hier an Bord bedanken. Über sechs Wochen lang hatte ich nicht das Gefühl, irgendetwas auf diesem Mikrokosmos zu vermissen. Und das zeigt doch sehr deutlich, wie professionell, routiniert und serviceorientiert die Crew hier an Bord der SONNE arbeitet – auf der perfekten Forschungsplattform.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 17.12.2019

Blog #12: Hohes Potenzial von Sulfid-Vorkommen

Die Sonne steht noch tief. Es ist frühmorgens. Land ist in Sicht. Schwarze, spitze Vulkankegel zeichnen sich am Horizont ab, verbunden durch flache Ebenen. Der Geruch von Erde wabert mir schon aus mehreren Kilometern Entfernung entgegen. Nach sieben Wochen auf See kommt er mir besonders intensiv vor. Um 7 Uhr 15 betritt der Lotse unser Schiff über eine Strickleiter an der Reling. Langsam laufen wir in den Hafen ein. Das Schiff macht eine Kehrtwende und gegen 8 Uhr legt die SONNE am Kai in Port Louis, Mauritius an.

Damit steht unsere Ausfahrt SO271/1 (INDEX2019) kurz vor ihrem Ende. Auf 131 Stationen haben wir in sieben der zwölf deutschen Lizenzcluster im Indischen Ozean potenzielle Massivsulfid-Erzvorkommen exploriert und die Biodiversität der Tiefsee unter die Lupe genommen. Es war das erste Mal, dass das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROPOS auf diesem Schiff zum Einsatz kam. Für mich war es ein unglaublich spannendes Erlebnis, die Fahrten am Meeresboden live miterleben zu können. Insgesamt 18 mehrstündige Tauchgänge hat es absolviert. Umfangreiche Proben und Daten hat es dabei gesammelt, darunter hochauflösende Videos und Fotos, Proben von Gesteinen, Sediment, Tiere und Fluide. Dazu kommen die Proben und Daten weiterer elf Großgeräte für Explorations- und Umweltarbeiten.

Am Dienstagmorgen, den 17.12.2019, läuft das Forschungsschiff SONNE nach 7 Wochen auf hoher See wieder in den Hafen von Port Louis, Mauritius, einAm Dienstagmorgen, den 17.12.2019, läuft das Forschungsschiff SONNE nach 7 Wochen auf hoher See wieder in den Hafen von Port Louis, Mauritius, ein Quelle: BGR

„Die INDEX2019 Ausfahrt war sehr erfolgreich“, fasst BGR-Fahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera die letzten 7 Wochen sichtlich zufrieden zusammen. „Die Wetterbedingungen waren generell gut, die Arbeiten waren lediglich für einen halben Tag eingeschränkt. Wir haben zwei neue Hydrothermalfelder (SURYA und SOORAJ; beide Sanskrit/Hindi für Sonne) in den Lizenzclustern 6 und 7 entdeckt. Diese Funde bestätigen einmal mehr das hohe Potenzial für Sulfiderz-Vorkommen in allen Clustern des deutschen Lizenzgebietes. Insgesamt haben wir bisher 20 aktive und 30 inaktive Hydrothermalfelder aushalten können.“

Erzschlot im 2018 von der BGR entdeckten Hydrothermalfeld PENUMBRAErzschlot im 2018 von der BGR entdeckten Hydrothermalfeld PENUMBRA Quelle: BGR

Mit 2,6 Kilometern Länge und 500 Metern Breite ist das 2018 entdeckte Feld PENUMBRA in Cluster 12 das größte bisher gefundene Massivsulfid-Feld überhaupt. Der diesjährige ROPOS-Tauchgang im ebenfalls 2018 entdeckten HUNA-Feld ergab, dass dieses Hydrothermalfeld 2,4 Kilometer lang ist und sich entlang einer Störungsstruktur erstreckt. Damit ist auch dieses Feld größer, als erwartet. Metalle fehlen hier an der Oberfläche. Diese stecken womöglich noch im Untergrund als reiches Erzvorkommen. Denn der Schlot eines „Schwarzen Rauchers“ ist keine Erz-Lagerstätte im eigentlichen Sinne, sondern das, was darunter steckt.

Ob sich unter diesen Hydrothermalfeldern potenziell abbauwürdige Erzvorkommen befinden, kann jedoch erst geklärt werden, wenn dort hineingebohrt wird. Für die nächste Explorationsfahrt INDEX2020 (SO278) mit der SONNE plant der Fahrtleiter deshalb auch den Einsatz eines Bohrgerätes, nach Möglichkeit am ROPOS. Damit sich ein möglicher Tiefseebergbau eines Tages lohnen würde, müssten allerdings 2 Millionen Tonnen Erz pro Jahr über 10 Jahre hinweg gefördert werden können. Von derartigen Aussagen ist der derzeitige Stand der Exploration noch weit entfernt. Hierzu müssen noch viele weitere Untersuchungen im Lizenzgebiet folgen.

Biologin Dr. Terue Kihara vom Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven bereitet ihre Proben für die DNA-Analyse vorBiologin Dr. Terue Kihara vom Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven bereitet ihre Proben für die DNA-Analyse vor Quelle: BGR

Hinzu kommen die umfangreichen Umweltuntersuchungen. Ziel der Biodiversitätsforschung im Lizenzgebiet ist es, einen „INDEX Baum des Lebens“ zu erstellen, der derzeit auf der DNA von knapp 50 000 Individuen beruht. Dieser soll dabei helfen, abzuschätzen, welchen Einfluss ein künftiger Tiefseebergbau auf den Lebensraum und die Biodiversität der Tiefsee hätte. Dies wird noch viele Jahre Forschung erfordern. Auf dieser Ausfahrt haben die drei Biologinnen und der Biologe an Bord allein 4125 Proben mit insgesamt 5477 Tieren gesammelt und die Geomikrobiologin 89 Proben für mikrobiologische Analysen genommen.

Doch die Zeit drängt. Bis zum Jahr 2023 muss die BGR entscheiden, welche 50 Prozent ihres Lizenzgebietes sie wieder an die Internationale Meeresbodenbehörde zurückgibt. Bis 2025 muss sie weitere 25 Prozent zurückgegeben haben. Bis zur endgültige Aussage über die verbliebenen 25 Prozent im Jahr 2030 stehen noch weitere Explorationsfahrten an. Jede dieser Ausfahrten wird ihren Teil dazu beitragen, eines Tages verlässliche Basisdaten für eine Entscheidung zur Hand zu haben, ob künftiger Tiefseebergbau von Massivsulfid-Erzen im Indischen Ozean ökologisch und ökonomisch tragbar ist oder nicht.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 16.12.2019

Blog #11: Irish Stew und Apple Crumble

Es ist schon fünf Uhr und höchste Zeit aufzustehen. Müde rekele ich mich aus meiner Koje und schaue aus meinem Bullauge. Die Sonne ist gerade über dem noch graublauen Horizont aufgegangen. Ich habe mir den Wecker gestellt, damit ich meinen Termin nicht verpasse. Um vier Uhr morgens, wenn viele hier an Bord noch schlafen, sind unser Koch Lars Prater und sein Team schon längst in der Kombüse im vollen Einsatz und heute Morgen darf ich ihnen dabei Gesellschaft leisten.

Mit dem Essen an Bord eines Schiffes steht und fällt die Stimmung aller Anwesenden. Jeden Tag müssen Speisen für circa 70 Personen morgens, mittags und abends pünktlich fertig sein. Und nicht nur das. Weil im 24-Stundenbetrieb geforscht wird, stellt das Küchenteam auch außerhalb dieser Zeiten Essen für diejenigen zurück, die zu den Mahlzeiten gerade auf Station im Einsatz sind. Der Aufenthalt und die Arbeit auf bewegter See sind sehr kräftezehrend.

Koch Lars Prater bereitet in der Schiffsküche das Fleisch für das Mittagessen vorKoch Lars Prater bereitet in der Schiffsküche das Fleisch für das Mittagessen vor Quelle: BGR

Mit einem freundlichen „Moin“ werde ich in der Küche begrüßt. Rammstein-Musik läuft im Hintergrund. Ich betrete einen komplett in Edelstahl ausgerüsteten Raum. Die Bordküche wirkt auf mich größer als erwartet. Unser Koch Lars Prater schneidet gerade Lammfleisch für das Irish Stew heute Mittag. Samstags ist Eintopftag. Dazu gibt es verschiedene Sorten Würstchen. Neben dem Schneidbrett stehen auch schon drei Schalen mit fertig vorbereitetem Apple Crumbie, also Apfelkrümel – ein süßes Backwerk, das es heute als Nachtisch gibt. Dazu werden Apfelstücke mit einer Schicht aus Streuseln bedeckt und im Ofen gebacken. Frank Wienekamp, der zweite Koch, backt gerade Pfannkuchen für das Frühstück. Diese Luxusspeise ist bei vielen an Bord sehr begehrt. Dazu gibt es, wie jeden Morgen, Spiegeleier, Rührei und gekochte Eier. „Jeden Tag verarbeiten wir circa 100 Eier“, verrät er mir. Die Tagesration Baguette und Brötchen mit Mohn, Kümmel oder Sesam liegen schon nett angerichtet in einem Korb parat. Bei den Sesambrötchen kann ich morgens nie wiederstehen. Sie sind einfach nur lecker. Weil er diese jeden Tag ganz frisch backt, fängt er oft schon um 3:00 Uhr nachts an. Jetzt begreife ich auch, warum ich ihn auf dieser Fahrt bisher so selten gesehen habe.

Der zweite Koch Frank Wienekamp backt frische Pfannkuchen für das FrühstückDer zweite Koch Frank Wienekamp backt frische Pfannkuchen für das Frühstück Quelle: BGR

Das Fleisch für das Irish Stew brutzelt inzwischen in einem riesigen Topf vor sich hin. Lars nimmt mich mit in den Gefrierraum. Er leiht mir eine dicke Jacke und öffnet eine überbreite Stahltür, die er speziell sichert, damit sie nicht zufällt. Wir gehen in einen eisigen verwinkelten Raum mit wandhohen Regalen. Er legt mir zwei große Pakete Wirsingkohl in die Arme. Die sind für das Irish Stew. Danach zeigt er mir noch den Kühlraum für die Frischwaren. Die meisten Regale sind leer. Das ist ja auch kein Wunder, wir sind inzwischen mehr als fünf Wochen auf See. Die Vorräte sind weitestgehend aufgebraucht. Jetzt wird viel improvisiert. Zurück in der Küche gibt Jonny Cash seine Evergreens lauthals zum Besten. Es ist sechs Uhr dreißig. Jeden Morgen um diese Zeit kommt der Kapitän auf Stipvisite vorbei. Auch in der Messe (das ist der Speisesaal) laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Teller, Getränke sowie Käse- und Wurstplatten werden bereitgestellt. Um sieben Uhr beginnt das Frühstück und ganz Hungrige stellen sich auch schon ein paar Minuten vorher ein.

Blick in die Messe (das ist der Speiseraum) des Forschungsschiffs SONNEBlick in die Messe (das ist der Speiseraum) des Forschungsschiffs SONNE Quelle: BGR

Von elf Uhr dreißig bis zwölf Uhr dreißig ist das Mittagsbuffet geöffnet. Ich genieße das überaus schmackhafte Irish Stew mit dem fantastischen warmen Apple Crumble und einem Klecks Vanillesoße ganz besonders intensiv und habe nun eine Ahnung davon bekommen, was das Küchenteam in den letzten Wochen alles für uns geleistet hat. Die Stimmung an Bord war jedenfalls durchgehend sehr gut.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 10.12.2019

Blog #10: Ein Futterhäuschen für Lebenskünstler

Das Meer ist die Wiege allen irdischen Lebens. Wie und wann es entstanden ist, darüber gibt es nur Hypothesen. Eine besagt, dass es genau an solchen heißen schwefelhaltigen Hydrothermalquellen wie in unserem Untersuchungsgebiet entstanden sein soll. Was für uns Menschen äußerst unwirtliche Orte sind, stellt für unzählige, winzige, unsichtbare Bakterien ein wahres Schlaraffenland dar. Und sie sind Lebenskünstler par excellence.

Dabei bestehen sie aus nur einer Zelle. Die meisten Arten sind etwa 1 Mikrometer (0,001 Millimeter) groß. Dennoch sind sie gewiss die erfolgreichsten Lebewesen auf unserem Planeten. Das liegt unter anderem daran, dass sie Energie aus einem Dutzend unterschiedlicher Stoffe gewinnen, also quasi damit atmen können. Einige Bakterienarten atmen Sauerstoff (aerobe Bakterien). Für andere Arten ist Sauerstoff pures Gift (anaerobe Bakterien). Sie atmen stattdessen Schwefel oder auch Eisen, Nitrat, Mangan oder sogar Uran. Und nicht nur das: Eine einzelne Bakterie kann ihren Stoffwechsel auch von aerob auf anaerob oder umgekehrt umstellen. Einige Arten sind sehr temperaturverträglich. Die Extremsten unter ihnen fühlen sich ausschließlich bei ungefähr 120 Grad Celsius wohl. Mikroben existieren darüber hinaus auch noch in mehreren hundert Meter tiefliegenden Gesteinsschichten. Dort überdauern sie extrem lange, indem sie ihre Zelle im Extremfall nur alle 1000 Jahre teilen. Finden sie keine günstigen Lebensbedingungen mehr vor, verwandeln sie sich in eine Spore. Ihr Stoffwechsel kommt damit komplett zum Erliegen. So harren sie über hunderttausende oder mehr Jahre aus.

Geomikrobiologin Katja Laufer vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel kratzt mit einem Spatel Bakterien von der Oberfläche einer Massivsulfid-Probe ab, die kurz zuvor mit dem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug ROPOS an Bord geholt wurdeGeomikrobiologin Katja Laufer vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel kratzt mit einem Spatel Bakterien von der Oberfläche einer Massivsulfid-Probe ab, die kurz zuvor mit dem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug ROPOS an Bord geholt wurde Quelle: BGR

In Punkto Bakterien kennt sich Geomikrobiologin Katja Laufer vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel bestens aus. Heute schaue ich ihr über die Schulter. „Alles ist überall. Allein die Umwelt selektiert.“ Womit sie meint: Bakterien gibt es praktisch überall. Bietet man ihnen etwas Schmackhaftes an, finden sie sich auch ein. „Über chemische Sensoren spüren sie die Nahrung auf und mit einem kleinen Schwänzchen, der Geißel, können sie auch die richtige Richtung einschlagen. In einem Milliliter Meerwasser beispielsweise tummeln sich bis zu einer Million Bakterien, im Küstensediment sogar bis zu einer Milliarde, eben je nach Nahrungsangebot“, erklärt sie mir.

Ohne die Mikroorganismen gäbe es in einem Hydrothermalfeld mit ewiger Nacht auch kein derart konzentriertes Leben. Hier fühlen sich Bakterien pudelwohl, die ihre Energie mittels Chemosynthese gewinnen, vornehmlich aus dem gelösten Schwefel oder Eisen oder Wasserstoff der heißen Fluide. Die chemisch gebundene Energie dieser anorganischen Substanzen nutzen sie, um organischen Kohlenstoff herzustellen. Dieser wiederum ist die Nahrungsgrundlage der meisten hier lebenden Tiere. Viele Garnelen, Schnecken oder Muscheln leben in Symbiose mit den Bakterien. Die Schuppenfuß-Schnecke beispielsweise ernährt sich vermutlich ausschließlich von den Stoffwechselprodukten der Bakterien, die sie, vor Fressfeinden geschützt, in ihrem Körperinneren hegt und pflegt (siehe Blog 8 von INDEX2019). Einige Schneckenarten hingegen raspeln die Bakterienrasen auf den Erzgesteinen ab. Denn ein Großteil der Bakterien siedelt genau hier. Schließlich bestehen die Erze aus Metallen und Schwefel, also ihrer absoluten Lieblingsspeise.

Der Kern des Besiedelungsexperimentes besteht aus drei unterschiedlichen Leckerbissen für Bakterien, die in Hydrothermalfeldern lebenDer Kern des Besiedelungsexperimentes besteht aus drei unterschiedlichen Leckerbissen für Bakterien, die in Hydrothermalfeldern leben. Rechts unten: reines Eisensulfid (Pyrit). Links unten und oben: Massivsulfid-Erzproben von zwei unterschiedlichen Hydrothermalfeldern Quelle: Katja Laufer

Gerade weil die Bakterien am Anfang der Nahrungskette stehen, spielen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem Hydrothermalfeld. Und trotzdem weiß man bisher sehr wenig über sie. Welche Mikroorganismen leben hier überhaupt? Welche Bedingungen sind für ihr Wachstum ideal? Wie stehen Bakterien und Gestein in Wechselwirkung?

Vor dem Tauchgang verstaut Geomikrobiologin Katja Laufer vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung ihr Besiedlungsexperimente (grau) in dem ROPOSVor dem Tauchgang verstaut Geomikrobiologin Katja Laufer vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung ihr Besiedlungsexperimente (grau) in dem ROPOS Quelle: BGR

Um mehr Licht in das Dunkel zu bringen, hat die Geomikrobiologin Besiedlungsexperimente (fachmännisch „Inkubatoren“) entworfen, die hier an Bord auch „Futterhäuschen“ genannt werden. Ihre Lockmittel sehen auf den ersten Blick wenig appetitlich aus und sind steinhart. Es handelt sich um reines Eisensulfid (Pyrit) und zwei Massivsulfid-Erzproben. Die beiden letzteren wurden an unterschiedlichen Hydrothermalfeldern entnommen. Neben der Zusammensetzung unterscheiden sich die drei Leckerbissen noch in ihrer Porosität, also mal knackig, mal weniger knackig. Jedes der drei Gefäße mit den Spezialitäten hat sie nett in ein engmaschiges Nylonnetz verpackt. Damit geht sie sicher, dass ausschließlich Mikroben ihren Weg dorthin finden. Anschließend deponiert sie die Gefäße in das Futterhäuschen. Mit dem nächsten Tauchgang stellt das ROPOS die Futterhäuschen an drei unterschiedlichen Stellen am Meeresgrund ab. Ein Inkubator wird auf Tiefseesediment deponiert, ein Inkubator auf einem inaktiven und einer auf einem aktiven Hydrothermalfeld.

Der Greifarm des ROPOS deponiert die Besiedelungsexperimente (Inkubatoren) am Meeresboden an drei unterschiedlichen Stellen: auf Tiefseesediment (1), auf einem inaktiven (2) und auf einem aktiven Hydrothermalfeld (3 und 4)Der Greifarm des ROPOS deponiert die Besiedelungsexperimente (Inkubatoren) am Meeresboden an drei unterschiedlichen Stellen. Ein Inkubator wird auf Tiefseesediment (1) deponiert, ein Inkubator auf einem inaktiven (2) und einer auf einem aktiven Hydrothermalfeld (3 und 4) Quelle: BGR

„Solch ein vergleichendes Besiedelungsexperiment an Hydrothermalfeldern hat es noch nie vorher gegeben“, erklärt sie mir erwartungsvoll. Allerdings wird sie auf das Ergebnis noch lange warten müssen. Die Futterhäuschen sollen erst auf der INDEX-Ausfahrt im nächsten Jahr wieder geborgen werden. Derweil wird sie diejenigen Bakterien unter die Lupe nehmen, die auf und in den Gesteinsproben der vielen ROPOS-Tauchgänge leben. Diese kratzt sie akribisch mit einem Spatel von der Oberfläche ab und streicht sie in ein Gläschen mit Nährlösung. Derart aufbewahrt, kann sie ihre Ausbeute sogar vermehren. Zurück in Kiel hat sie damit ausreichend Material für Genanalysen und viele spannende neue Experimente. Sollten eines Tages Erze in den inaktiven Hydrothermalfeldern abgebaut werden, helfen ihre Ergebnisse dabei, einzuschätzen, ob und wie schnell sich diese Areale wieder mit Bakterien besiedeln und damit regenerieren können.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 10.12.2019

Blog #9: Die Masse macht‘s

Ich stehe an der Reling und genieße den Blick auf das weite Meer. An seinem unvergleichlichen satten, glitzernden Blau kann ich mich gar nicht genug satt sehen. Alles Leben kommt aus dem Meer. Blaues Wasser, Strand und Palmen gilt für viele als Inbegriff des Paradises. Doch je blauer das Meer ist, desto weniger Leben ist in ihm. Ein großes blaues Nichts also. Und dennoch arbeiten hier Massen unsichtbarer Mini-Motoren und leisten dazu noch einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz.

Diese Kleinstlebewesen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: in pflanzliches Plankton (Phytoplankton) und tierisches Plankton (Zooplankton). Das Phytoplankton (wie Kieselalgen oder Grünalgen) ernährt sich von Lichtenergie, Wasser, anorganischen Nährstoffen (wie Nitrat und Phosphat) und Kohlendioxid. Letzteres reichert sich durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, also Kohle, Erdöl und Erdgas, immer mehr in der Erdatmosphäre an und trägt so zur globalen Erwärmung bei. Nun wird es spannend: Das Phytoplankton entzieht der Atmosphäre das Kohlendioxid mittels Photosynthese und bindet den darin enthaltenen Kohlenstoff im Körper.

Eine Sinkstofffalle wird wieder zurück an Bord geholt, nachdem sie ein Jahr am Meeresboden verankert warDr. Niko Lahajnar (1. v. li.), Natalie Harms (2. v. li) und Anke Spethmann (2. v. re.) von der Universität Hamburg holen mit Bootsmann Thorsten Bierstedt (3. v. li.) und den Matrosen Reno Ross (3. v. re.) und Arnold Ernst (1. v. re.) eine Sinkstofffalle wieder zurück an Bord, nachdem sie ein Jahr am Meeresboden verankert war Quelle: BGR

Abgestorben zerfallen ihre Körper in weniger als ein Millimeter kleine Partikel zu dem sogenannten „Meeresschnee“. Dieser sinkt langsam in die Tiefe und legt sich am Meeresgrund als Sediment ab. Die Forschenden sprechen dabei, weniger poetisch, vom „wahren Partikelfluss“. Der Transport von Kohlenstoff in größere Wassertiefen wird als „biologische Pumpe“ bezeichnet. Ohne das Plankton wäre der aktuelle Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre tatsächlich um zirka 30 Prozent höher. Dies zeigt sehr deutlich, wie wichtig die Kohlenstoffsenken in den Meeren für das Klima sind. Immerhin sind ungefähr 70 Prozent der Erde vom Meer bedeckt. Die durchschnittliche Tiefe der Ozeane beträgt 3,8 Kilometer. Die Masse an Wasser und des darin lebenden Planktons macht es also.

Die Ausbeute der Sedimentfalle eines ganzen JahresDie Ausbeute der Sedimentfalle eines ganzen Jahres Quelle: BGR

Umso wichtiger ist es auch, die komplexen Prozesse der „biologischen Pumpe“ noch besser zu verstehen. Das Team um Geologe und Biogeochemiker Dr. Niko Lahajnar von der Universität Hamburg untersucht im Auftrag der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) den „wahren Partikelfluss“ im riesigen indischen Ozean. Der Begriff „Fluss“ ist etwas irreführend. Denn in 1000 Jahren lagern sich gerademal wenige Zentimeter Sediment am Meeresboden ab. Deshalb haben sie eine ausgeklügelte Methode entwickelt, um ihm auf die Spur zu kommen. Sie verankern Sinkstofffallen am Meeresboden (siehe Blog 13 von INDEX2017) und (wichtig!) üben sich in Geduld. Was heißt, dass sie ihren Fang erst nach einem Jahr wieder einfahren. Was auch nur gelingt, wenn ein Schiff an diesen Ort zurückkehrt. Da die BGR ihr Explorationsgebiet im Indischen Ozean seit 2015 jedes Jahr wieder anfährt, hat sie das Hamburger Forschungsteam beauftragt, ihre Arbeiten über viele Jahre hinweg kontinuierlich durchzuführen. Ihre Daten tragen dazu bei abzuschätzen, welchen Einfluss ein möglicher künftiger Erzabbau auf das Ökosystem am Meeresboden hätte.

Die Geowissenschaftlerinnen Anke Spethmann (li.) und Natalie Harms (re.) von der Universität Hamburg untersuchen die Ausbeute eines Behälters der Sinkstofffalle in 700 Meter WassertiefeDie Geowissenschaftlerinnen Anke Spethmann (li.) und Natalie Harms (re.) von der Universität Hamburg untersuchen die Ausbeute eines Behälters der Sinkstofffalle in 700 Meter Wassertiefe. Der Inhalt der Schale hat sich in 18 Tagen angesammelt Quelle: BGR

Heute haben sie mich in ihr Labor eingeladen. Die beiden Geowissenschaftlerinnen Natalie Harms und Anke Spethmann beugen sich gerade konzentriert über eine flache Schale mit der Ausbeute eines Bechers, der in einer ihrer Sedimentfallen in 700 Metern Wassertiefe angebracht war. Die zentimetergroßen Fischlarven, Garnelen und Quallen fallen sofort ins Auge. Sie sind gerade so groß, dass sie noch durch das Wabengitter der Trichterköpfe fallen konnten. Völlig verblüfft bin ich über ihren Erhaltungszustand. Obwohl sie fast ein Jahr im Becher gelegen haben, sehen sie aus wie frisch gefangen. „Das liegt an dem 9 Grad kalten Meerwasser in dieser Tiefe, der ständigen Dunkelheit und dem künstlich vergifteten Wasser in den Behältern“, erklärt mir Natalie Harms. Nach eine groben Erstbestimmung der „großen“ Tiere geben sie diese eine Tür weiter ins Biologie-Labor.

Beim Filtern lagert sich der „Meeresschnee“ als hauchdünne Schicht auf einem kleinen Rundfilter abBeim Filtern lagert sich der „Meeresschnee“ als hauchdünne Schicht auf einem kleinen Rundfilter ab Quelle: BGR

Danach widmen sie sich ihrer eigentlichen Beute. Die übriggebliebenen Partikel, den „wahren Partikelfluss“, verteilen sie mit einem Splitter auf vier Behälter. Deren Inhalt schütten sie in Filtertrichter. Dadurch lagern sich die Partikel als hauchdünne Schicht auf einem kleinen Rundfilter ab. Die Ausbeute von 18 Tagen. Anschließend trocknen sie den Filter samt Partikelbelag im Ofen. Erst in Hamburg können sie die Proben analysieren: Wie hoch ist der organische Kohlenstoffgehalt? Er sagt aus, wieviel Kohlendioxid das Phytoplankton der Atmosphäre entzogen hat. Wieviel Sedimentfracht (etwa Wüstenstaub oder Tonpartikel) ist enthalten? Diese Komponenten erfüllen eine wichtige Aufgabe bei der „biologischen Pumpe“. Sie sind schwerer als Wasser und dienen quasi als Ballast. Ohne sie würde das organische Material nie bis zum Meeresboden absinken, da es im Wasser schwimmt. Wie hoch ist die Nährstoffkonzentration? Im Indischen Ozean ist sie sehr niedrig. Das bedeutet weniger Nahrung für das Plankton und deshalb auch weniger Plankton. Eben ein großes blaues Nichts. Aber eben nur scheinbar.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 09.12.2019

Blog #8: Die Schuppenfuß-Schnecke: Ein Sack voller Bakterien

Die Umgebung eines Erzschlotes in einem Hydrothermalfeld mutet mehr als lebensfeindlich an: In ewiger Dunkelheit schießen 300 Grad heiße, sehr saure Suspensionen voller giftiger Metallsulfide permanent aus den „schwarzen Rauchern“. Und dennoch wimmelt es gerade hier nur so von Leben auf allerengstem Raum. Wer sich hier wohlfühlt, hat sich auf einzigartige Weise angepaßt. Werden diese kleinen Paradiesinseln in den Weiten der Tiefsee eines Tages durch Bergbau beeinträchtigt, drohen diese Spezialisten sehr schnell auszusterben, sollte es für sie keine Rückzugsgebiete geben.

Um dem zuvorzukommen, setzte die Weltnaturschutzorganisation (International Union for Conservation of Nature, IUCN) im Juli 2019 erstmals und vorschnell einen Bewohner der Tiefsee auf die Rote Liste der gefährdeten Arten. Es handelt sich dabei um die bis zu 4,5 Zentimeter große Schuppenfuß-Schnecke (Chrysomallon squamiferum). Sie wurde bisher nur im Indischen Ozean gefunden. Als einzige bisher bekannte Schneckenart trägt sie hunderte kleine Hautschuppen auf ihrem Fuß. Die harten Schuppen können weiß oder mit Eisensulfid (Pyrit) beschichtet sein. Dann sind sie schwarz und reagieren sogar leicht magnetisch. Auch in ihre Schale kann die kleine Tiefsee-Schnecke Eisensulfide einbauen. Damit ist sie das einzige bekannte Tier, das Eisensulfide in ihren Körper einlagert. Die Schuppen schützen sie womöglich vor Fressfeinden oder den ätzenden Hydrothermalfluiden. Oder sie enstehen als Abfallprodukt bei der Entgiftung des Körpers.

Wie viele andere Bewohner der Hydrothermalfelder, lebt die Schuppenfuß-Schnecke in Symbiose mit Bakterien. Diese beziehen ihre Energie nicht aus Licht wie die Pflanzen, sondern aus der chemischen Reaktion mit dem im Meerwasser gelösten Sauerstoff und dem Schwefelwasserstoff aus den Metallsulfiden. Bei den Garnelen in den Hydrothermalfeldern beispielsweise leben die Bakterien in den Kiemenkammern. Die Garnelen sitzen deshalb sehr dicht an den Schloten der „schwarzen Raucher“, damit der im Meerwasser enthaltene Schwefelwasserstoff direkt zu den Bakterien gespült wird.

Von diesem diffusen Fluidaustritt im neu entdeckten Erzvorkommen SURYA wurde mit einem ROPOS-Tauchgang auch ein Exemplar der neuerdings auf der Roten Liste bedrohter Arten aufgeführten Schuppenfuß-Schnecke an Bord gebrachtVon diesem diffusen Fluidaustritt im neu entdeckten Erzvorkommen SURYA wurde mit einem ROPOS-Tauchgang auch ein Exemplar der neuerdings auf der Roten Liste bedrohter Arten aufgeführten Schuppenfuß-Schnecke (Chrysomallon squamiferum) an Bord der SONNE gebracht Quelle: BGR

Die Schuppenfuß-Schnecke sitzt ebenfalls extrem dicht an den Schloten, bewahrt die Bakterien aber wesentlich sicherer in einer vergrößerten Drüse ihrer Speiseröhre auf. Damit die Bakterien dennoch mit ausreichend Sauerstoff in einer Umgebung ohne Sauerstoff und/oder mit Schwefelwasserstoff versorgt werden, ist das Herz, verglichen mit anderen Schneckenarten an Hydrothermalquellen übergroß. Es nimmt 4 Prozent des Körpervolumens ein. Zum Vergleich: Das Herz eines Menschen nimmt 1,3 Prozent des Körpervolumens ein. Das Verdauungssystem ist einfach, ein Hirn oder Augen hat sie nicht. Auf den Punkt gebracht ist diese Schnecke nichts anderes als ein mit Bakterien gefüllter Sack. Das Tier macht es ihnen darin so angenehm wie möglich, damit sie die Schnecke ganz nebenbei noch mitversorgen.

Bei der im SURYA-Erzvorkommen gefundenen Schuppenfuß-Schnecke (Chrysomallon squamiferum) handelt sich um eine helle Variante mit weißen Schuppen und brauner SchaleBei der im SURYA-Erzvorkommen gefundenen Schuppenfuß-Schnecke (Chrysomallon squamiferum) handelt sich um eine helle Variante mit weißen Schuppen und brauner Schale. Sie hat keinen schwarzen Pyrit auf ihrem Fuß und in der Schale, weil die Fluide in diesem Hydrothermalfeld kein Eisensulfid enthalten Quelle: BGR

Das allein war aber nicht der Grund, warum die Schuppenfuß-Schnecke überraschend auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gesetzt wurde. Die Exploration des Indischen Ozeans auf Massivsulfiderze begann erst um die Jahrtausendwende. Die Schuppenfuß-Schnecke wurde erstmals im Jahr 2001 im Hydrothermalfeld KAIREI am zentralindischen Spreizungsrücken entdeckt. Das Feld liegt heute im deutschen Explorationsgebiet. Im Jahr 2011 wurde die gleiche Art im chinesischen Explorationsgebiet im Feld LONGQI entdeckt. Dieses liegt 2500 Kilometer entfernt vom KAIREI-Feld am südwestindischen Spreizungsgraben. Im Jahr 2012 wurden weitere Exemplare im Feld SOLITAIRE, 700 Kilometer nördlich von KAIREI entdeckt.

Für die Individuen dieser bis zum INDEX-Projekt einzigen drei Fundorte im Indischen Ozeans wurde der genetische Verwandschaftsgrad untersucht. Dabei zeigte sich, dass zwischen den Feldern KAIREI und SOLITAIRE ein genetischer Austausch stattfindet. Es mag erstaunen, aber für die Bewohner der Tiefsee ist die Neuansiedelung über weite Strecken normal. Die Garnele Rimicaris im Mittelatlantischen Rücken beispielsweise siedelt in bis zu 7000 Kilometer entfernte Hydrothermalfelder über. Wie sie das macht? Aus ihren Eiern schlüpfen Larven, die sich freischwimmend vom Plankton ernähren können, bis sie auf einen ansprechenden Platz am Meeresgrund treffen. Erst dann verwandeln sie sich für den Rest ihres Lebens in eine bodenbewohnende Garnele.

Es wird vermutet, das die Larve der Schuppenfuß-Schnecke auch mit der Strömung forttreibt, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied. Bei ihr ernähren sich die Larven nach dem Schlüpfen von dem Eidotter. Das hat den Vorteil, dass sie bis zur Metamophose keine andere Nahrung aufnehmen müssen. Das bedeutet aber auch, dass der Dotter aufgebraucht sein kann, bevor sie auf neue Hydrothermalfelder treffen. Die Besiedelung weit entfernter Lebensräume ist dadurch eingeschränkt. Das Genmaterial der Schnecken von LONGQI zeigt praktisch keinen Austausch mit den Spezies der sehr weit entfernten Felder KAIREI oder SOLITAIRE an. Sollte das LONGQI-Feld dem Bergbau zum Opfer fallen, wäre die Population ausgelöscht und es gäbe keinen Nachschub von anderen Schloten mit gleichem genetischen Material. Ob entlang des südwestindischen Rückens von LONGQI bis zum KAIREI-Feld noch weitere Populationen der Schuppenfuß-Schnecken leben, ist aber noch völlig unbekannt, weil dieses Gebiet bis dato noch nicht erkundet wurde.

Biologin Dr. Terue Kihara vom Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven mit einer Schuppenfuß-SchneckeBiologin Dr. Terue Kihara vom Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven mit einer Schuppenfuß-Schnecke (Chrysomallon squamiferum) aus dem neu entdeckten SURYA-Hydrothermalfeld Quelle: BGR

Deshalb war die Überraschung bei uns an Bord abermals groß: Auch in den ROPOS-Proben des neu entdeckten Erzvorkommen SURYA erkennt die Biologin Dr. Terue Kihara vom Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven sofort ein Exemplar der Schuppenfuß-Schnecke. Erfreut zeigt sie uns das ein Zentimeter große Exemplar in ihrer Hand: „This is a scaly foot.“ Auch in vier anderen Hydrothermalfeldern im deutschen Lizengebiet hat sie bereits Exemplare der Schuppenfuß-Schnecke gefunden. Diese wird sie genauestens untersuchen und die Ergebnisse publizieren. Fakt ist jedenfalls, dass dieses Symboltier für eine vom Tiefseebergbau bedrohte Art nach neuestem Forschungsstand wohl doch nicht so selten ist, wie es zunächst den Anschein hatte: Wer suchet, der findet.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 02.12.2019

Blog #7: Neues Erzvorkommen „SURYA“ entdeckt

Es gleicht einem Déjà-vu-Erlebnis. Wir befinden uns mittlerweile in Cluster 6. Wie vor zwei Jahren in Cluster 11 registrieren die hydroakustischen Messsignale des 100 Meter über dem Meeresboden geschleppten Echolot-Geräts HOMESIDE jetzt auch hier, dass sich im Untergrund eine hydrothermale Quelle befinden muss. Eine nach oben aufsteigende „Rauch“-Fahne in der Wassersäule ist klar erkennbar. Aber die Geräte identifizieren dort keine Trübung durch eisenhaltigen Partikel im Wasser, wie es typisch für „schwarze Raucher“ ist.

Auf unserer INDEX2017-Expedition an Bord der SONNE berichtete ich in meinem 10. Logbuch über dieses Mysterium. Damals konnten wir die für uns widersprüchlichen Messergebnisse noch nicht deuten. Erst nach Einsatz weiterer Geräte entdeckten wir in Cluster 11 ein Massivsulfid-Vorkommen anderer Art, das „NEW SONNE“-Feld. Deshalb ist Fahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera heute beim Morgen-Meeting sicher: Wir haben ein neues aktives Massivsulfid-Vorkommen in Cluster 6 entdeckt! Die Wassertiefe ist hier, wie beim NEW SONNE-Feld, mit knapp 2900 Metern vergleichsweise gering und wir befinden uns auch hier sieben Kilometer von einer energieliefernden Wärmequelle, dem südostindischen Spreizungsgraben, entfernt.

Das tiefgeschleppte Echolot-Gerät HOMESIDE hat in Cluster 6 das SURYA-Massivsulfid-Feld (roter Kreis) detektiert. Es befindet sich in 2900 Meter Wassertiefe in der Nähe eines Vulkans an einem Steilhang. Sein Durchmesser beträgt zirka 40 MeterDas tiefgeschleppte Echolot-Gerät HOMESIDE hat in Cluster 6 das SURYA-Massivsulfid-Feld (roter Kreis) detektiert. Es befindet sich in 2900 Meter Wassertiefe in der Nähe eines Vulkans an einem Steilhang. Sein Durchmesser beträgt zirka 40 Meter Quelle: BGR

Euphorie macht sich unter den Forscherinnen und Forschern breit. Wie gut, dass wir das ferngesteuerte Unterwasserboot ROPOS mit an Bord haben und dem Phänomen gleich auf den Grund gehen können. Die bisherige Stationsplanung wird kurzerhand geändert. Der Fahrtleiter ist sich sogar so sicher, dass er dem neuen Erzvorkommen schon vorab einen Namen gibt. Etwas mit „Sonne“ muss es sein, schließlich befinden wir uns auf dem Forschungsschiff SONNE. Da wir im Indischen Ozean explorieren und ein Wissenschaftler nepalesischer Herkunft mit an Bord ist, muss dieser ihm gleich übersetzen, was „Sonne“ auf Hindi heißt. Danach heißt das neue Erz-Vorkommen SURYA (mit Betonung auf „u“), was auch noch wunderschön klingt.

Auch die Wassersäule wird mit den Echolot-Gerät HOMESIDE durchschallt. Eine aufsteigende „Rauch“-Fahne (hellgrün in der Bildmitte) über dem SURYA-Feld ist deutlich erkennbarAuch die Wassersäule wird mit den Echolot-Gerät HOMESIDE durchschallt. Eine aufsteigende „Rauch“-Fahne (hellgrün in der Bildmitte) über dem SURYA-Feld ist deutlich erkennbar. An ihr werden die Schallwellen reflektiert und HOMESIDE meldet dieses Signal an das Bathymetrielabor an Bord Quelle: BGR

Das ROPOS-Team ist schon startklar. Der Tauchgang beginnt. Gleich bei der Ankunft am Meeresboden ist klar: Wir haben tatsächlich eine neues Massivsulfid-Vorkommen entdeckt. Sicherstes Anzeichen sind weiße Anemonen, Schnecken und Krebse. Von denen gibt es hier reichlich, wenn auch eher kleine Exemplare. Vor uns offenbart sich ein Schuttfeld aus rot, gelb und grün angelaufenen Massivsulfiden, die sich mit kissen- oder zahnpasta-förmigen dunkelgrauen Basalten abwechseln. Dünne lange weiße Peitschenkorallen haften vereinzelt daran und wiegen sich sanft hin und her als das ROPOS vorbeifährt. Da wir uns hier an einem untermeerischen Steilhang befinden, sind große Teile des Vorkommens in die Tiefe gestürzt.

Große Bereiche des neu entdeckten Massivsulfid-Feldes SURYA bestehen aus den Überresten bereits erloschener HydrothermalquellenGroße Bereiche des neu entdeckten Massivsulfid-Feldes SURYA bestehen aus den Überresten bereits erloschener Hydrothermalquellen. Der abgebrochene Schlot in der Bildmitte besteht in seinem Inneren aus grauem Pyrit, ein Eisensulfid, und Chalkopyrit, einem kupferhaltigen Mineral. Letzteres zeigt an, dass die Temperatur der Fluide über 300 Grad Celsius betragen haben muss Quelle: BGR

Auch der Basalt ist an vielen Stellen mit roten, gelben und grünen Verwitterungsmineralen überzogen. Das weist auch hier darauf hin, das heiße Fluide über 300 Grad Celsius am Werk waren. Reste ehemals aktiver Erzschornsteine ragen vereinzelt hervor. An einigen Stellen flimmert das Wasser leicht. Hier treten ganz sachte durchsichtige Fluide diffus aus dem Schotterfeld aus. Eine Messung mit dem Temperaturfühler des ROPOS ergibt, dass diese gerade einmal 31 Grad Celsius haben. „Schwarze Raucher“, deren Fluide zirka 300 Grad heiß sind, sehen wir nirgends. Auch die weißen Garnelen, von denen es sonst am Rand aktiver Erzschornsteinen nur so wimmelt, gibt es nicht. Das zeigt uns, dass hier in jedem Fall viel weniger Nährstoffe vorhanden sind, als in Feldern mit aktiven „schwarzen Rauchern“.

Der ROPOS-Temperaturfühler misst 31 Grad Celsius heiße, diffus austretende, durchsichtige Fluide, die das neu entdeckte Erzvorkommen SURYA charakterisierenDer ROPOS-Temperaturfühler misst 31 Grad Celsius heiße, diffus austretende, durchsichtige Fluide, die das neu entdeckte Erzvorkommen SURYA charakterisieren. Aufgrund der niedrigen Temperatur und des Fehlens von weißen Garnelen an den Austrittsstellen befindet sich dieses aktive Massivsulfid-Feld aller Wahrscheinlichkeit nach am Ende seines Lebenszyklus Quelle: BGR

Nachdem ROPOS das Areal umfahren hat, ist klar: Hier handelt es sich augenscheinlich um ein Hydrothermalfeld am Ende seines Lebenszyklus. Mit 40 Metern Durchmesser ist es fast so groß wie ein halbes Fußballfeld und im Vergleich zu anderen, bisher im deutschen Lizenzgebiet entdeckten, Feldern auch eher klein. Allerdings taucht dort ein bis dato gänzlich unbekanntes, phantastisches Lebewesen vor uns auf wie von einem anderen Stern. Und als wir die Proben an Bord der SONNE aus dem ROPOS bergen, ist die Überraschung riesig. Doch davon berichte ich in meinem nächsten Blog.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 26.11.2019

Blog #6: Mit Speck fängt man Mäuse

Fallensteller sind sie mit Leidenschaft. Wie sonst können die Forscherinnen und Forscher in dieser weiten blauen Wüste an ihre Beute kommen, um letztlich beurteilen zu können, wie künftig möglicher Tiefseebergbau auf das Ökosystem wirkt. Der Ideenreichtum, mit dem sie ihre Fallen entwickeln, ist groß. Schließlich soll völlig unterschiedliche Beute gefangen werden. Letztlich läuft es aber immer drauf hinaus, etwas Attraktives anzubieten.

Ein Beispiel: Das Expeditionsprogramm an Bord läuft rund um die Uhr. Wochenenden gibt es nicht. Dadurch sind die Tage für die Forschenden eher gleichtönig. Eine willkommene Orientierung, welcher Wochentag gerade ist, bietet das Angebot der Mahlzeiten. Donnerstags und sonntags beispielsweise gibt es in der Messe (das ist der Speisesaal) Eiscreme. Ein absolutes Highlight für viele an Bord. Am Donnerstag gibt es verschiedene Sorten abgepacktes Eis als Nachtisch. An diesen Tagen sind alle besonders pünktlich zum Mittagessen in der Messe. Denn: Frühes Erscheinen sichert die leckerste Eiscremesorte, bevor diese vergriffen ist. Das begehrteste ist ein mit Schokolade überzogenes Vanilleeis am Stil.

Biologin Katharina Kniesz bestückt ihre Falle vor dem ROPOS-Tauchgang mit absoluten Leckerbissen für Flohkrebse: Fisch und KatzenfutterBiologin Katharina Kniesz vom Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven bestückt ihre Falle vor dem ROPOS-Tauchgang mit absoluten Leckerbissen für Flohkrebse: Fisch und Katzenfutter Quelle: BGR

Ähnlich funktionieren die Fallen in der Tiefsee. Die Beute kann ihnen einfach nicht widerstehen. Biologin Katharina Kniesz von dem Integrated Environmental Solutions UG (INES) / Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) in Wilhelmshaven hat es heute auf die Aasfresser der Tiefsee abgesehen – Amphipoden, auch Flohkrebse genannt. Verglichen mit ihren entfernten Verwandten an Land, den Kellerasseln, können diese Krustentiere bis zu 20 Zentimeter lang werden. Ihr Lockmittel ist frischer Kabeljau garniert mit intensiv duftendem Katzenfutter (Katzenfans wissen, wovon ich spreche). Da sie üblicherweise die auf dem Meeresboden liegenden Überreste der wenigen dort lebenden Tiere fressen, kann man sich vorstellen, dass diese noch nie da gewesene, weithin duftende Speise eine magische Anziehungskraft auf sie ausübt. Natürlich brauchen einige Arten länger als andere, um den „Braten zu riechen“, oder sind etwas langsamer als andere. Deshalb ist etwas Geduld gefragt. Mit dem heutigen Tauchgang von ROPOS wird die Falle am Tiefseeboden zwei Tage lang abgestellt. Dort unten hat sie nun genügend Zeit, ihre magische Wirkung zu entfalten.

Die am Meeresgrund für zwei Tage abgestellte Amphipodenfalle hat zugeschnappt: Im Inneren wimmelt es nur so von aufgeschreckten kleinen weißen und roten Flohkrebsen. Ein Greifarm verstaut die Falle wieder im ROPOSDie am Meeresgrund für zwei Tage abgestellte Amphipodenfalle hat zugeschnappt: Im Inneren wimmelt es nur so von aufgeschreckten kleinen weißen und roten Flohkrebsen. Ein Greifarm verstaut die Falle wieder im ROPOS Quelle: BGR

Zwei Tage später nähert sich das ROPOS endlich wieder der Falle. Die Biologin sitzt ungeduldig und gespannt vor dem großen Monitor im Besprechungsraum. Die Falle rückt näher ins Sichtfeld. Und tatsächlich schwimmt etwas darin. Jetzt ist die Kamera ganz nah dran. Ja, es wimmelt nur so von aufgescheuchten weißen und roten Amphipoden in ihrer Falle. Der Greifarm schnappt den Henkel der Falle und verstaut sie sorgfältig im ROPOS. Nun heißt es nur noch zwei Stunden warten, bis das Gefährt wieder an Bord gehievt werden kann.

Zuerst nimmt Katharina Kniesz den Fisch-Katzenfutter-Köder aus der Amphipodenfalle. Anschließend schüttet sie die gefangenen Flohkrebse auf ein Sieb und spült sie sorgfältig abZuerst nimmt Katharina Kniesz den Fisch-Katzenfutter-Köder aus der Amphipodenfalle. Anschließend schüttet sie die gefangenen Flohkrebse auf ein Sieb und spült sie sorgfältig ab Quelle: BGR

Endlich an Bord, läuft Katharina Kniesz mit ihrer Falle sofort ins Nasslabor. Den wertvollen Inhalt schüttet sie auf ein Sieb. Nicht einmal die kleinste Amphipode soll verloren gehen. Auf den ersten Blick sieht die Biologin schon, dass sie eine neue Amphipodenart gefangen hat. Über 80 Prozent der von ihr bisher gefangenen Amphipoden wurden noch nie zuvor beschrieben und besitzen deshalb noch nicht einmal einen Namen. Das zeigt, wie wenig die Krebstiere bislang erforscht sind. Darum freut sie sich umso mehr, dass über 500 Tiere in die Falle getappt sind. Jetzt verwahrt sie ihre wertvolle Beute in Alkohol. Erst zurück in Wilhelmshaven wird sie jedes Tier genau beschreiben und genetisch bestimmen. Viel Material für ihre Doktorarbeit. „Amphipoden spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem Tiefsee“, erklärt sie mir. „Sie fressen Aas und führen dadurch die Nährstoffe aus den Kadavern wieder in den Nährstoff-Kreislauf zurück.“.

Über 500 Exemplare verschiedenster Arten Flohkrebse sind in die Falle getappt. Einige davon sind bis zu zehn Zentimeter großÜber 500 Exemplare verschiedenster Arten Flohkrebse sind in die Falle getappt. Einige davon sind bis zu zehn Zentimeter groß Quelle: BGR

Fürs nächste Jahr plant sie, eine Videokamera mit Bewegungsmelder an der Falle anzubringen. Wer weiß, wer noch alles Appetit auf den „Braten“ hatte, aber wegen seiner Größe nicht in die Falle tappen konnte. Übrigens: Das beste Mittel, um Mäuse zu fangen, soll Nuss-Nougatcreme sein, die ja bekanntermaßen auch unwiderstehlich auf Menschen wirkt. Einige von denen befinden sich auch hier an Bord der SONNE.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 25.11.2019

Blog #5: Der geborgene Kupferschatz

Schwupps, weg ist die Nachricht. Ganz bequem kann ich mitten im Indischen Ozean mit meinem Smartphone Nachrichten nach Deutschland senden und erhalten. Dank modernster Technik und der Materialien, aus denen es gebaut ist. Egal wo wir uns gerade befinden, ganz selbstverständlich nutzen wir täglich Gebrauchsgegenstände, für die Metalle verarbeiten wurden, deren Erze täglich weltweit gefördert werden.

In einem Smartphone stecken tatsächlich rund 60 Metalle. Die nach Inhalt wichtigsten Metalle (in abnehmender Reihenfolge) sind Eisen, Silizium, Magnesium, Aluminium, Kupfer, Nickel und Chrom (nur bei diesen ist mehr als 1 g in den Geräten enthalten). Aber wichtig sind natürlich auch die anderen wie Platin, Gold und Seltene Erden. Diese "Gewürzmetalle" sind tatsächlich nur in extrem geringen Mengen enthalten, Gold zum Beispiel mit 0,0017 Gramm. Der weltweite Hunger nach Rohstoffen wächst immer noch weiter an. Kupfer zum Beispiel zählt in Deutschland zu den bedeutendsten Industriemetallen. Ob Stromkabel, Computerplatinen, Wasserrohre, Elektromotore oder Systeme zur Erzeugung erneuerbarer Energien aus Sonne, Wind oder Erdwärme – alle diese Produkte beinhalten Kupfer. Rund 1,2 Millionen Tonnen dieses Halbedelmetalls hat Deutschland im Jahr 2018 verbraucht. Damit ist Deutschland drittgrößter Konsument nach China und den USA. Das größte Förderland ist Chile, gefolgt von China und Peru

Der Schlot eines aktiven „schwarzen Rauchers“ aus dem KAIMANA-Feld im Indischen Ozean mit den Mineralen Anhydrit (hellgrau, im Zentrum) sowie Kupferkies (gelb), Pyrit (dunkelgrau) und einer roten Verwitterungslage aus Eisenoxiden (von innen nach außen)Der Schlot eines aktiven „schwarzen Rauchers“ aus dem KAIMANA-Feld im Indischen Ozean mit den Mineralen Anhydrit (hellgrau, im Zentrum) sowie Kupferkies (gelb), Pyrit (dunkelgrau) und einer roten Verwitterungslage aus Eisenoxiden (von innen nach außen) Quelle: BGR

Damit Deutschland auch in Zukunft mit ausreichend Rohstoffen versorgt ist, untersucht die BGR im Auftrag der Bundesregierung das Potenzial von inaktiven hydrothermalen Erzvorkommen am und im Meeresboden hier im Indischen Ozean. Diese sogenannten Massivsulfide weisen hohe Gehalte von Kupfer, Zink und Blei auf und sind teilweise gold- und silberführend. Daneben enthalten sie Spurenelemente wie Indium, Germanium, Antimon, Selen oder Tellur, die in vielen Technologiebereichen unverzichtbar sind. Die Erze bilden sich, wenn drei wichtige Faktoren zusammenkommen: metallhaltiges Gestein, ausreichend Wärme sowie Spalten im Gestein als Wegsamkeit. Sickert Meerwasser über die Spalten in das heiße vulkanische Gestein, erwärmt es sich auf bis zu 500 Grad Celsius. Das erhitzte Meerwasser laugt die Metalle aus dem Gestein aus und führt sie gelöst mit. Die Fluide treten mit einer Temperatur von bis zu 400 Grad Celsius aus Hügeln am Boden aus. Beim Kontakt mit dem nur zwei Grad Celsius kalten Meereswasser kühlt die Lösung schlagartig ab, dabei werden die gelösten Metalle als Mineral fixiert und damit angereichert. Um die Austrittsstelle bildet sich oft ein säulenförmiger Erzschornstein, aus dem bei vielen schwarzer „Rauch“ aufsteigt.

BGR-Erzpetrologe Dr. Sebastian Fuchs untersucht die Minerale des „schwarzen Rauchers“ und ihre Ausbildung. Daraus kann er auch Rückschlüsse über die Entstehung von Erzlagerstätten ziehenBGR-Erzpetrologe Dr. Sebastian Fuchs untersucht die Minerale des „schwarzen Rauchers“ und ihre Ausbildung. Daraus kann er auch Rückschlüsse über die Entstehung von Erzlagerstätten ziehen Quelle: BGR

Besonders hoch schlägt das Herz der Forscherinnen und Forscher an Bord, wenn sie in solch einem Schlot auch das Erzmineral Kupferkies entdecken. Der BGR-Erzpetrologe Dr. Sebastian Fuchs nennt diese eisen- und kupferhaltige Schwefelverbindung fachmännisch Chalkopyrit. Und das Tags zuvor geborgene Stück eines aktiven „schwarzen Rauchers“ läßt ihn in Entzückung fallen. Stolz zeigt er mir die perfekt senkrecht zu Schlotwand gewachsenen, grüngold glänzenden Kupferkieskristalle. An der Innenwand sind sie extrem glattgeschliffen und leuchten wie Gold. „Der Glanz zeigt, dass die heiße metallhaltige Suspension mit sehr hohem Druck aus dem Schlot geschossen ist. Der Schlot wächst mit der Zeit von außen nach innen zu, vergleichbar mit der Verkalkung eines Wasserrohres“, erläutert er mir begeistert.

Ein Seitenarm eines „schwarzen Rauchers“ zeigt die Zonierung des Erzmineralwachstums von außen nach innen: Eisenoxide (rot) als Verwitterungslage, Pyrit (grau) und Kupferkies (gelb)Ein Seitenarm eines „schwarzen Rauchers“ zeigt die Zonierung des Erzmineralwachstums von außen nach innen: Eisenoxide (rot) als Verwitterungslage, Pyrit (grau) und Kupferkies (gelb) Quelle: BGR

Aus dem glänzenden Inneren ragt eine bizarre, gräulichweiße, rauhe Ablagerung hervor, die das ganze Gegenteil eines Erzes ist. Das ist Kalziumsulfat oder Anhydrit, der sich normalerweise als erstes Mineral im Anfangsstadium des Schlotes bildet, bei Temperaturen um 150 Grad Celsius. Warum der Anhydrit hier im Inneren vorliegt, erklärt er mir so: „Die schwarze Suspension steigt unter sehr hohem Druck auf. Und weil die Schlotwand stellenweise porös ist, wird das zwei Grad kalte Meerwasser durch diese offene Stellen regelrecht ins Innere gesogen. Dadurch sinkt die Temperatur bereichsweise rapide ab und Schwefelminerale, die sich nur bei niedrigeren Temperaturen bilden, wie Anhydrit, entstehen.“ Das Meerwasser kühlt die Schlotwand auch von außen ab. Deshalb bilden sich von außen nach innen Minerale, die bei immer höheren Temperaturen stabil sind. Im Inneren Kupferkies, dann Pyrit (ein Eisensulfid) und schließlich Eisenoxide, als Verwitterungslage, an der Aussenwand.

Fahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera freut sich über den neu geborgenen „schwarzen Raucher“ zusammen mit Harold Gibson und Marina Schofield von der Laurentian Universität, Ontario, Kanada, beide mit Expertise in LagerstättenkartierungFahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera freut sich über den neu geborgenen „schwarzen Raucher“ zusammen mit Harold Gibson und Marina Schofield von der Laurentian Universität, Ontario, Kanada, beide mit Expertise in Lagerstättenkartierung Quelle: BGR

Tatsächlich messen die Forschenden innnerhalb eines aktiven Schlots an jeder Stelle unterschiedliche Temperaturen. Das zeigt wie durchlässig die Schlote sind. So sind denn auch Teile des „schwarzen Rauchers“ durch den Transport an Bord abgebrochen. Nun ist es an BGR-Präparator Andreas Heiner, aus dem beschädigtem Exemplar ein salonfähiges Austellungsstück für Tagungen und Kongresse herzurichten.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 20.11.2019

Blog #4: Glückliche Gesichter

Heute ist es soweit, zum ersten Mal kann ich live und in Farbe einen aktiven „schwarzen Raucher“ beobachten. Und nicht nur das! Inzwischen befinden wir uns über dem Edmond-Feld in Cluster 4. Hier gibt es aktive und inaktive hydrothermale Quellen am Meeresboden. Bereits 2013 hat die BGR an dieser Stelle einen „Schornstein“ aus Massivsulfid-Erz geborgen. Nun soll bei einem ROPOS-Tauchgang ein zweiter zu Forschungszwecken und insbesondere zum Anfassen für „Landratten“ (also Sie und ich) hinzukommen.

Gleich vorweg: Solange die metallhaltigen heißen Quellen mit Temperaturen von zirka 400 Grad Celsius nicht versiegen, wachsen die Erzschlote wieder nach. Dabei wurden schon erstaunliche Geschwindigkeiten von 30 Zentimetern pro Tag registriert. Der Tauchgang beginnt früh am Morgen. Das ROPOS ist präpariert und wird zu Wasser gelassen. Das Gefährt ermöglicht ein buntes Potpourri an Messungen und Probenahmen für verschiedenste Fragestellungen. Da ich nicht all die spannenden Versuche dieser Fahrt in einem Blog unterbringen kann, werde ich mich hier vorerst auf das Heraufbringen des „schwarzen Rauchers“ beschränken. Weitere folgen!

Das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROPOS wird für den Tauchgang zum EDMOND-Feld mit aktiven und inaktiven „schwarzen Rauchern“ zu Wasser gelassenDas ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROPOS wird für den Tauchgang zum EDMOND-Feld mit aktiven und inaktiven „schwarzen Rauchern“ zu Wasser gelassen Quelle: BGR

Nach gut zwei Stunden erreicht das ROPOS den Meeresgrund in 3200 Meter Tiefe. Vor uns wimmelt es nur so von weißen Anemonen, Garnelen und Krebsen. Ihr außergewöhnlicher Lebensraum in ewiger Dunkelheit sind die aktiven Hydrothermalquellen. Und da taucht er auch schon vor uns auf: Mein erster live erlebter „schwarze Raucher“! Eine rostrot und ockerfarben verkrustete Erzsäule, an deren offenem Kopfende permanent eine undurchsichtige, schwarzbraune, blumenkohlförmige „Wolke“ mit enormem Druck senkrecht nach oben schießt. Nun bin ich gespannt, wie es der Pilot schafft, den Schlot zu Fall zu bringen. Zunächst rüttelt er an der engsten Stelle mit einem der Greifarme. Nichts passiert. Er ändert die Taktik. Obwohl die Gefahr besteht, dass Instrumente am ROPOS beschädigt werden, fährt er mit seiner an der unteren Front hervorstehenden gezähnten Platte direkt gegen den hochaufragenden „Schornstein“. Und hat Erfolg! Der obere Teil des „schwarzen Rauchers“ kippt zur Seite weg. Die Zuschauer an den Monitoren im Besprechungsraum applaudieren spontan, darunter auch ich. Mit einem Greifarm deponiert er die Beute sicher in eine der Boxen des Gefährts. Danach klappt der Deckel zu und weiter geht’s.

Die Kameras des ROPOS haben einen aktiven „schwarzen Raucher“ eingefangenDie Kameras des ROPOS haben einen aktiven „schwarzen Raucher“ eingefangen Quelle: BGR

Nach insgesamt sechs Stunden Tauchgang und zwei Stunden Aufstieg in der Wassersäule hieven die Männer der SONNE-Crew das ROPOS wieder zurück an Bord. Es ist längst dunkel geworden. Das Achterdeck erstrahlt derart hell im gelben Scheinwerferlicht, dass der Schein des Vollmondes, der über ihnen am sternklaren Nachthimmel schwebt, komplett zurücktritt. Zumal alle Augen auf das Achterdeck gerichtet sind. Kapitän Lutz Mallon höchstpersönlich und Keith Tamburri vom ROPOS-Team erteilen die nötigen Kommandos. Vom Hangar kommend hat sich bereits eine Schlange mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gebildet. Gespannt und gut gelaunt warten sie mit Helm, Eimern und Sieben bewaffnet auf Ihren Einsatz. Sowie Keith Tamburri die Probenentnahme aus dem ROPOS freigegeben hat, marschiert die Karawane los. Die Rollen sind klar verteilt.

Sofort nach dem Tauchgang entnehmen die Forscherinnen und Forscher ihre vielzähligen Proben aus den Behältern des ROPOSSofort nach dem Tauchgang entnehmen die Forscherinnen und Forscher ihre vielzähligen Proben aus den Behältern des ROPOS Quelle: BGR

In Windeseile nehmen die Forschenden ihre frisch eingetroffenen Schätze aus den ROPOS-Boxen heraus und legen sie in die mitgebrachten Eimer und Schalen. Etwas erschöpft aber äußerst zufrieden beobachten die Piloten des ROPOS-Teams die glücklichen Forscherinnen und Forscher dabei. Auch Fahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera lässt sich dieses Schauspiel nicht entgehen und beobachtet das muntere Treiben, gerne auch mal mit einem Scherz auf den Lippen.

BGR-Erzpetrologe Dr. Sebastian Fuchs nimmt den frisch geborgenen „schwarzen Raucher“ sofort in AugenscheinBGR-Erzpetrologe Dr. Sebastian Fuchs nimmt den frisch geborgenen „schwarzen Raucher“ sofort in Augenschein Quelle: BGR

Danach werden die Proben ins Nasslabor getragen und für eine erste Ansprache gereinigt. Stolz und zufrieden beugt sich BGR-Erzpetrologe Dr. Sebastian Fuchs über das frisch gewaschene goldglitzernde Massivsulfid-Erz. Am nächsten Morgen werde ich ihn aufsuchen und mir alles Wissenswerte über den schwergewichtigen Neuzugang erzählen lassen. Doch darüber berichte ich in meinem nächsten Blog.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 11.11.2019

Blog #3: Ein Schuss ins Dunkle

Die Tiefsee – unendliche Weiten. Wir stoßen in eine Welt vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Gefühlt stehen wir damit auf einer Stufe mit Astronaut Neil Armstrong. Wir spazieren zwar nicht als erster Mensch auf dem Mond, dafür aber auf einem völlig unbekannten Abschnitt des Meeresbodens und benötigen weder Sauerstoffflasche noch Schutzanzug.

Möglich macht dies ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug, das kanadische ROPOS (Remote Operated Platform for Ocean Sciences). Dieses Wunderwerk der Technik kann vom Schiff aus gezielt an Punkte am Meeresboden gelenkt werden und zum Beispiel Proben bis zu dem Gewicht eines Kleinwagens (1,8 Tonnen) bergen. Es kann aber auch äußerst fragile Schwämme am Meeresboden einsammeln und heil an Bord bringen. Dass das Ganze nicht banal ist, zeigt sich schon dadurch, dass für einen Tauchgang sechs kanadische Piloten an Bord der SONNE hochkonzentriert im Einsatz sind.

Blick von vorn auf das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROPOSBlick von vorn auf das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROPOS Quelle: BGR

In der Nacht zuvor vermaß das tiefgeschleppte Echolot-Gerät „Homeside“ eine Struktur am Meeresboden, die zirka 25 Meter hoch und 20 Meter breit sein soll. Da es sich dabei um eines der von uns gesuchten Massivsulfiderz-Vorkommen handeln könnte, setzt der Fahrtleiter ROPOS ein. Kurz vor der Tauchfahrt werden noch Wetten abgeschlossen, welches Objekt uns wohl erwartet. Die abgegebenen Vorschläge reichen über ein Metallerz-Vorkommen, einem Vulkan, bis hin zu Atlantis, dem ausgestorbenen Riesenhai Megalodon (im jüngsten Kino-Film „The Meg“ genannt) und letztlich zum Ananashaus von Spongebob (!). Forschende haben wohl von Haus aus eine lebhaftere Phantasie.

ROPOS wird zu Wasser gelassenROPOS wird zu Wasser gelassen Quelle: BGR

Das knallgelbe und schwarz beschriftete ROPOS hat in etwa die Größe eines Kleinwagens. Als ich ehrfurchtsvoll davor stehe, habe ich automatisch das Lied „In the Eye of the Tiger“ (aus dem Film „Rocky III“) im Ohr. Denn diesen Augen (zwei Video-HD-Kameras, sechs weitere Kameras, eine 12 Megapixel Digitalkamera und über 3700 Watt Beleuchtung) entgeht nichts. Sofort nach dem Eintauchen nimmt es Fahrt Richtung Zielpunkt auf. Mit immerhin 0,8 Metern pro Sekunde erreicht es nach knapp einer Stunde den Meeresboden in 2600 Metern Tiefe.

Basalt mit Aufwuchs eines Schwammes, der seinerseits von Seesternen umschlungen wirdBasalt mit Aufwuchs eines Schwammes, der seinerseits von Seesternen umschlungen wird Quelle: BGR

Dort taucht als erstes hell erleuchtet gelblich grauer Schlamm auf, der voller Lebensspuren ist. Zum Beispiel keilförmige Ruhemulden von Fischen und schlangenartige Fraßspuren von Seegurken. Es dauert auch nicht lange bis sich einige der bizarren Verursacher vorstellen: Eine rote Garnele mit sehr langen durchsichtigen dünnen Beinen stolziert vorbei, eine dicke, kräftig blaulila gefärbte Seegurke liegt gemächlich am Boden, weiße und schwarze Fische flüchten vor den Scheinwerfern zurück in die ewige Nacht. Plötzlich ragen kleine Felsen aus Basalt in typischer Kissenform vor uns auf. Als Hartgründe im weichen Sediment wachsen sesshafte Tiere bevorzugt auf ihnen. Etwa eine nach oben offene glasnetzartige Röhre, die ein Schwamm bildet. Ein kugeliger glasiger Schwamm siedelt dagegen im weichen Sediment, sitzt dafür aber auf einem langen, filigranen, durchgebogenen Stiel.

Im lockeren Sediment wachsender Schwamm auf filigranem Stiel mit Schattenwurf rechts und linksIm lockeren Sediment wachsender Schwamm auf filigranem Stiel mit Schattenwurf rechts und links Quelle: BGR

Voller Spannung verfolgt das Forschungsteam an Bord die phantastische zweistündige Fahrt live im Besprechungsraum über verschiedene Monitore mit. Von hier aus werden auch Instruktionen per Funk an die Piloten im Container an Deck gegeben. Am Ende besteht kein Zweifel mehr: Das Ziel entpuppt sich als eine nur zirka 15 Meter hohe normale Basaltkuppe. „Unsere Arbeit gleicht eben oft Schüssen im Dunklen“, räumt Fahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera am Abend etwas enttäuscht ein. Gut, dass noch viele weitere Tauchgänge mit ROPOS geplant sind – inklusive der Bergung eines „schwarzen Rauchers“. Doch davon später mehr.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 07.11.2019

Blog #2: Stürmische Begegnung

Die Begrüßung war heftiger als erwartet und voller Streicheleinheiten. Permanent schlugen die vom Sturm aufgepeitschten Wellen mit voller Wucht und spritzender Gischt gegen den schwarzen Bug des Forschungsschiffes, während es einsam in den Weiten des indischen Ozeans in Richtung Explorationsgebiet taumelte. An Bord herrschte Stille.

Dabei begann es ganz friedlich. Am 1. November waren wir startklar: Die Mannschaft hat ihre Posten an Bord eingenommen, das Wissenschaftsteam ihre Kajüten bezogen und ihre Labors eingerichtet. Der Weg vom Hangar nach Achtern (das ist hinten) ist ein einziges Labyrinth aus technischen Geräten, Containern und Kisten. Ungewohntes Gezwitscher exotischer Vögel begleitet die letzten Vorbereitungen der Crew vor dem Auslaufen im unaufgeregten Hafen von Port Louis. Der Lotse betritt das Schiff. Den idealen Rundblick beim Ablegen bietet das Peildeck. Viele treffen sich dort, um dieses Ereignis zu teilen. Wehmut schwingt mit. Fetzen von Szenen des Abschieds in der Heimat vermischen sich mit der Lust auf neue Erlebnisse, auf einen Ausnahmezustand vom Alltag.

Das Forschungsschiff SONNE bricht am 1. November 2019 in Port Louis, Mauritius, zur BGR-Explorationsfahrt INDEX2019 aufDas Forschungsschiff SONNE bricht am 1. November 2019 in Port Louis, Mauritius, zur BGR-Explorationsfahrt INDEX2019 auf Quelle: BGR

Ich fühle wie eine Akteurin in einem Abenteuerfilm. Er hat Anklänge an „Indianer Jones“, „Fluch der Karibik“ und insbesondere „Raumschiff Enterprise“ (zu letzterem siehe Blog 6 von 2017). Und was gehört zu jedem Blockbuster dazu? Die Helden kämpfen in mindestens einer Szene gegen die Unbilden des Wetters. Ob in der Luft, auf See oder im All. Tatsächlich lautete die häufigste Frage nach meiner Rückkehr von der INDEX-Expedition im Jahr 2017 „Warst Du seekrank?“. Aus diesem Grund möchte ich schon mal vorab und voll frischer Eindrücke über diesen Zustand berichten. Die Seekrankheit ist in den ersten Tagen an Bord Hauptgesprächsthema der Forschenden. Selbst erfahrene Seemänner und -frauen kann es nach mehreren Monaten Aufenthalt an Land in den ersten Tagen auf hoher See erwischen. Das Leid fällt bei jedem sehr unterschiedlich aus. Hier nun, wirklich nur aufgrund der großen Nachfrage, mein Leid:

Einige Fahrtteilnehmer beobachten das Auslaufen des Schiffes vom PeildeckEinige Fahrtteilnehmer beobachten das Auslaufen des Schiffes vom Peildeck Quelle: BGR

Nach einer ersten ruhigen Nacht auf See wurde es zunehmend stürmischer. Proportional zum Anstieg der Wellenhöhe wanderte auch mein Magen in Richtung Speiseröhre (nur gefühlt natürlich). Unangenehm war der Moment, als ich dachte, jetzt sitzt er am Gaumenzäpfchen. Was tun? Es gibt zahllose Tipps, die an Bord kursieren. Hier nur eine kleine Auswahl: Gut essen (was im späten Krankheitsstadium selbstredend wirkungslos ist), Tee anstelle von Kaffee trinken, Medikamente mit Nebenwirkungen einnehmen oder ins Bett legen und die Augen schließen. Letzteres klang am verlockendsten. Ich legte mich zwei Stunden aufs Ohr. Alles war gut.

Blick aus einem der Bullaugen meiner Kajüte auf Deck 2Blick aus einem der Bullaugen meiner Kajüte auf Deck 2 Quelle: BGR

Kaum erwacht, katapultiert sich mein Magen wieder zum Zäpfchen hoch. Die Tabletten müssen ran! Bevor es zu spät ist und nur noch ein echtes Zäpfchen helfen kann. Die Tablette ist eingeworfen. Jetzt heißt es durchhalten. Ich mache es mir wieder in meiner Koje bequem. Ganz langsam macht sich Wärme im Magen breit. Endlich. Sie wirkt. Dieses Wundermittel legt aber nicht nur den rebellierenden Magen lahm, sondern auch den Rest von mir. Adieu, lieber Tag! Ich liege stundenlang wie gefesselt in meiner schaukelnden Koje. Dafür ist die Seekrankheit fort. Nach dem Koma-Schlaf geht es langsam wieder bergauf mit mir und der Magen bleibt mehr oder weniger dort, wo er hingehört.
Bitte fragt mich nach meiner Rückkehr nicht mehr, ob ich seekrank war. Fragt mich lieber nach unseren Abenteuern. Die folgen in meinen nächsten Blogs.

Viele Grüße von der Sonne
Bettina Landsmann

INDEX2019-Fahrt-Tagebuch, 03.11.2019

Blog #1: Die Ruhe vor dem großen blauen Nichts

Es ist wohl ein psychologisches Phänomen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler treffen sich Punkt 18:00 Uhr auf der vom grünlichgrauen Hafenbeckenwasser umspülten Terrasse des Hotels. Die Sonne steht tief und bestrahlt das im Hafen gegenüberliegende deutsche Forschungsschiff SONNE. Es leuchtet in den Farben schwarz, rot, gold und weiß. Der lange Flug nach Mauritius steckt allen noch in den Knochen.

Die sommerlichen Temperaturen hier Ende Oktober sind willkommen. Port Louis ist ein Zwischenstopp. In zwei Tagen startet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) unter der Leitung von Dr. Ulrich Schwarz-Schampera mit einem internationalen Forschungsteam wieder eine Explorationsfahrt in den Indischen Ozean – die INDEX2019.

Das Forschungsschiff SONNE im Hafen von Port Louis, MauritiusDas Forschungsschiff SONNE im Hafen von Port Louis, Mauritius Quelle: BGR

Ja, ich freue mich, wieder dabei zu sein! Vor zwei Jahren berichtete ich erstmals von Bord der SONNE über die Ausfahrt INDEX2017. Sieben Wochen schienen mir jedoch zu kurz, über alles Spannende an Bord berichten zu können. Jetzt darf ich auch INDEX2019 begleiten! Im Hotel treffe ich bekannte Gesichter wieder – und damit komme ich auch zum psychologischen Phänomen: Einige habe ich zwei Jahre weder gesehen, noch gesprochen. Jetzt umarmen wir uns freudig und herzlich. Neuzugänge werden bereitwillig im Team aufgenommen. Das Forschen und Leben an Bord schweißt eine Gruppe für den Zeitraum der Fahrt zusammen. Immerhin 39 Forscherinnen und Forscher sowie die 29-köpfige Schiffsbesatzung um Kapitän Lutz Mallon. Der jüngste Teilnehmer ist 21 Jahre alt, der älteste Teilnehmer 73 Jahre alt. Dazwischen sind alle Alter vertreten. Völlig unterschiedliche Persönlichkeiten aus Deutschland, Kanada, Amerika, Nepal, Frankreich und Brasilien teilen sich sieben Wochen einen Mikrokosmos und eine Aufgabe, für die sie brennen: Die Erkundung von Metallerzvorkommen an erloschenen „Schwarzen Rauchern“ in der Tiefsee des Zentralindischen Rückens mit dem dazu gehörigen Ökosystem.

Die Ausrüstung für die Forschungsfahrt in das deutsche Lizenzgebiet wird verladenDie Ausrüstung für die Forschungsfahrt in das deutsche Lizenzgebiet wird verladen Quelle: BGR

Gefühlt ist das Umweltbewusstsein nirgendwo größer als in der deutschen Bevölkerung. „Deshalb fließen auch 50 Prozent der Kosten dieser Ausfahrt in die Erforschung der Umweltfaktoren“, betont Fahrtleiter Dr. Ulrich Schwarz-Schampera beim ersten Meeting. „Tatsächlich gibt derzeit kein deutsches Institut mehr Geld für Tiefsee-Umweltforschung aus als die BGR. Allein im vergangenen Jahr waren es 4,5 Millionen Euro“. Erzbergbau in der Tiefsee ist verlockend, zumal wenn Rohstoffe an Land eines Tages knapp werden sollten. Der internationale „Run“ auf die Tiefsee hat längst begonnen. Auch Staaten wie China, Indien und Südkorea erkunden Metallerze im Indik. Die BGR kann mit den Forschungsergebnissen ihrer Lizenzgebiete dazu beitragen, dass Deutschland internationale Standards zum Schutz des Meeres zu setzen vermag. Die Ozeane zu bewahren und zu schützen, ist jedenfalls Konsens hier an Bord. Was wir dafür tun und welche Schätze in der Tiefsee tatsächlich schlummern, davon berichte ich in den nächsten sieben Wochen in meinem Blog.

Viele Grüße aus Port Louis, Mauritius
Bettina Landsmann

BGR-Wissenschaftlerin Bettina Landsmann berichtet von der Explorationsfahrt der BGR im Indischen OzeanBGR-Wissenschaftlerin Bettina Landsmann berichtet von der Explorationsfahrt der BGR im Indischen Ozean Quelle: BGR


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