CASE 13 Neusibirische Inseln
Beitrag zum Projekt:
Die Expedition CASE 13 stellt eine Besonderheit im Rahmen des CASE-Programms der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) dar. Seit mehr als 15 Jahren hat die BGR vergeblich versucht, eine geologische Land-Expedition zu den Neusibirischen Inseln zu organisieren, die die marinen geophysikalischen Arbeiten in der Laptewsee der 1990er Jahren ergänzen sollte. Erst durch eine intensive Kooperation mit dem Karpinsky All Russian Geological Research Institute (VSEGEI) in St. Petersburg wurde es möglich, vom 31. 08. 2011 bis zum 22. 09. 2011 eine große Expedition zu diesen entlegenen Inseln auf dem sibirischen Schelf durchzuführen (Abb. 1).
Insgesamt nahmen 23 Wissenschaftler aus Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden an der Expedition teil, die auch von einem Fernsehteam des ZDF begleitet wurde. Neben der BGR Hannover und dem VSEGEI St. Petersburg waren das VNIIOkeangeologia St. Petersburg, das Cambridge Arctic Shelf Program (CASP), das United Institute of Geology, Geophysics and Mineralogy, Novosibirsk, die Universitäten von Frankfurt, Hannover, Paris, Siena und Uppsala vertreten.
Die Expedition startete von dem im Lena-Delta gelegenen Ort Tiksi mit dem 1975 gebauten Versorgungseisbrecher „Mikhail Somov“, der als schwimmendes Basislager genutzt wurde. Tagsüber wurden die Geologen mit einem an Bord stationierten Mi8-Hubschrauber ins Gelände gebracht, während das Schiff nachts die Strecken zwischen den Inseln zurücklegte. Von den 18 Tagen auf See, während derer das Schiff mehr als 3300 km zurücklegte, konnten 14 Tage für die wissenschaftliche Arbeit genutzt werden. Bis auf die Jeannette-Insel konnten alle Inseln des Archipels besucht und das geplante Programm vollständig eingehalten werden (Abb. 2).
Wissenschaftliche Ziele
Die Neusibirischen Inseln befinden sich auf einem Krustenfragment, dem Chukotka-Alaska-Terrane, das erst im Zusammenhang mit der Öffnung des Arktischen Ozeans an seine heutige Position wanderte. Eine wichtige Frage der Expedition CASE 13 war, ob dieser Teil des Chukotka-Alaska-Terranes vor der Öffnung des Arktischen Ozeans in der Nähe von Spitzbergen, Nordgrönland und Ellesmere Island gelegen haben könnte oder nicht. Nach wie vor sind die Mechanismen, die zur Öffnung des Amerasischen Beckens des Arktischen Ozeans zwischen Kanada/Alaska und dem ostsibirischen Kontinentrand geführt haben, kaum verstanden. Der direkte Vergleich der geologischen Entwicklungsgeschichte der Neusibirischen Inseln seit dem Kambrium (inklusive Sedimentationsbecken und tektonische Ereignisse) mit der von Svalbard und der kanadischen Arktis soll Antworten darauf geben, ob und wann beide Plattenbereiche nebeneinander gelegen haben könnten.
Die Rekonstruktion der Lage der heutigen zirkum-arktischen Kontinentplatten und Terranes vor der Öffnung des Amerasischen Beckens ist eine unabdingbare Voraussetzung für Prognosen über das mögliche Kohlenwasserstoff-Potential der sibirischen Schelfgebiete. Sollten die Schelfgebiete der Ostsibirischen See inklusive der Neusibirischen Inseln vor der Öffnung des Amerasischen Beckens vor dem heutigen passiven Kontinentrand Nordamerikas gelegen haben, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich das karbonisch bis alttertiäre Sverdrup-Becken in der kanadischen Arktis mit seinem bekannten Kohlenwasserstoff-Potential auch auf den ostsibirischen Schelf fortsetzen würde.
Durchgeführte Arbeiten und erste Ergebnisse
Zur Klärung dieser Fragen wurden während der CASE 13-Expedition von den Wissenschaftlern verschiedene geowissenschaftlichen Disziplinen und Methoden eingesetzt wie Kartierung, Strukturgeologie, Sedimentologie, Beprobung paläozoisch-mesozoischer Sedimente für geochemische Untersuchungen hinsichtlich ihres Kohlenwasserstoff-Potentials, Probennahme für Geochronologie und Thermochronologie. Die Korrelation der marinen seismischen Profile der BGR aus den 1990er Jahren mit den Strukturen, der Stratigraphie und den Gesteinseinheiten an Land kann dazu beitragen, Aussagen über die Verbreitung potentieller Mutter- oder Speichergesteine zu gewinnen.
Bereits während der Geländearbeiten kristallisierten sich die Antworten auf zwei wichtige Fragestellungen von CASE 13 heraus:
- Sowohl die strukturgeologischen Analysen als auch der Vergleich der Beckenentwicklungen und der tektonischen Ereignisse zeigt, dass die Neusibirischen Inseln und damit das Chukotka-Alaska-Terrane seit dem Kambrium nicht in der Nähe des nordamerikanischen Kontinentrandes oder vor Svalbard gelegen haben können. Besonders die altpaläozoischen Ablagerungen unterscheiden sich deutlich (z.B. devonische Tonschiefer und potentielle Erdölmuttergesteine im Gegensatz zu terrestrischer Old-Red-Sedimentation in Svalbard), und erst mit Beginn des Mesozoikums werden die Sedimentfolgen in beiden Gebieten ähnlicher. Seit dem Kambrium sind die Sedimente der Neusibirischen Inseln kaum deformiert worden – die kaledonische und die ellesmerische Orogenese fehlen völlig, und auch die tertiäre Deformation ist nicht besonders weitreichend und wahrscheinlich auf dextrale Transpression in einem frühen Stadium der Entwicklung des Laptewsee-Rifts zurückzuführen.
- Als potentielle Erdölmuttergesteine wurden verschiedene Formationen beprobt. Diese reichen von eozänen Braunkohlen über kretazische Hartkohlen bis zu marinen Schiefern der Trias und des Devons. Als relevant für das Laptewsee-Rift sehen wir allerdings nur die eozänen Muttergesteine an, für die ein fazieller Übergang vom vorgefundenen terrestrischen zum flachmarinen Milieu für die gesamte Inselgruppe beschrieben ist. Für die Riftbecken um die Neusibirischen Inseln scheint sich aus den Aufschlüssen das bisher aus den seismischen Profilen postulierte tertiäre Alter zu bestätigen. Mesozoische und paläozoische Muttergesteine hätten demnach, unserer bisherigen Interpretation folgend, vor allem in den Horstregionen ein Kohlenwasserstoff-Bildungspotenzial.
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