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Vulkanismus in der kanadischen Arktis und Nord-Grönland als Vorläufer der Öffnung des Arktischen Ozeans

Beitrag zum Projekt:

Im Rahmen der CASE-Projekte (CASE = Circum-Arctic Structural Events) untersucht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vulkanische Gesteine an den passiven Kontinenträndern des Arktischen Ozeans. Der Vulkanismus steht in engem Zusammenhang mit der geotektonischen Entwicklung der nördlichen Polarregion seit der Kreide-Zeit und kann wichtige Zeitmarken für die Öffnung der Arktischen Ozeanbecken liefern. Die laufenden Arbeiten richten sich auf den kanadischen und nordgrönländischen Kontinentrand (Abb. 1). Die Gesteinsproben wurden teils während CASE-Expeditionen (1994 nach Nord-Grönland, 1999, 2000 und 2001 zur nordkanadischen Ellesmere-Insel) genommen, teils vom Geologischen Dienst Kanadas in Calgary zur Verfügung gestellt (Abb. 2). Sie werden in der BGR petrographisch, geochemisch, isotopenchemisch und geochronologisch untersucht.

1. Untersuchte Vulkanit-Vorkommen

Vorkommen der Kreide/Tertiär-Vulkanite in der kanadischen Arktis und Nord-GrönlandAbb. 1: Vorkommen der Kreide/Tertiär-Vulkanite in der kanadischen Arktis und Nord-Grönland Quelle: BGR

Während der Unterkreide bis zum Cenoman wurden in der kanadischen Arktis Basalte in Form von Lavaflows, vulkanischen Brekzien, Dykes und Sills gefördert. Dazu gehören:

  • Basalte der Isachsen-Formation auf Axel Heiberg Island und Ellesmere Island,

    Hautphase im Apt, bis zu 230 m mächtig, mit zwischengeschalteten klastischen fluviatilen Sedimenten (Embry & Osadetz 1988)

  • Basalte der Strand Fiord-Formation auf Axel Heiberg Island,

    oberes Alb bis unteres Cenoman, bis fast 800 m mächtig, überwiegend subaerische Laven, im Liegenden und Hangenden marine Schiefer (Ricketts et al. 1985, Embry & Osadetz 1987)

  • Basalte der Hassel-Formation im nordöstlichen Ellesmere Island,

    in nichtmarinen Sandsteinen und Tonschiefern, bis 35 m mächtig, stratigraphisch vergleichbar mit der Strand Fiord-Formation (Osadetz & Moore 1988).

Von der Nordküste Grönlands als auch von der Nordküste der Ellesmere-Insel sind bimodale, teilweise alkalische Magmatite bekannt, die sich während der Oberkreide bis ins unterste Tertiär gebildet haben (Abb. 1):

Probenpunkte von Vulkaniten in der kanadischen ArktisAbb. 2: Probenpunkte von Vulkaniten in der kanadischen Arktis Quelle: BGR

  • Hansen-Point-Vulkanite im nordwestlichen Ellesmere Island,

    ca. 1000 m mächtige Abfolge von Lavaflows, Pyroklastiten und zwischengeschalteten fluviatilen und marinen klastischen Sedimenten und Kohle, lagert diskordant auf Permokarbon (Trettin & Parrish 1987)

  • Wootton Intrusive Complex im nordwestlichen Ellesmere Island,

    eine Nordost-Südwest streichende Zone von Gabbros, untergeodnet Granitoiden und intermediären Magmatiten, die die Wootton-Halbinsel durchquert; auf 92 Millionen Jahre datiert (Trettin & Parrish 1987)

  • Vulkanite der Kap-Washington-Gruppe in Nord-Grönland,

    ca. 5 km mächtige Abfolge von Laven, Pyroklastiten und untergeordnet klastischen Sedimenten, lagert konkordant auf Unter- und Oberkreide und Permokarbon und ist von altpaläozoischen Metasedimenten überschoben (Dawes & Soper 1970, Brown & Parsons 1981, Soper et al. 1982, Brown et al. 1987)

  • Vulkanit-Gerölle in frühtertiären (paläozänen) Sedimenten, die in kleinen Becken an der Westseite der Nares Strait vorkommen (Miall 1982).

2. Erste Ergebnisse

Erste Ergebnisse unserer Untersuchungen wurden auf der Tagung ICAM III 1998 in Celle (Estrada et al. 1998, Estrada 1998 a), den Tagungen der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft 1999 in Wien (Estrada et al. 1999 a) und 2000 in Heidelberg (Estrada et al. 2000) sowie den Internationalen Polartagungen der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung 2001 in Dresden (Estrada et al. 2001) und 2005 in Jena (Estrada et al. 2005) vorgestellt. Detaillierte Ergebnisse wurden bisher publiziert in Estrada (1998 b), Estrada et al. (1999 b), Estrada & Henjes-Kunst (2004), Estrada et al. (2003).

2.1 Vulkanismus der Unterkreide (bis unterste Oberkreide)

Trotz des zeitlichen Abstands von etwa 15 bis 20 Ma zwischen der Bildung der Basalte der Isachsen- und der Strand-Fiord-Formation ähneln sie sich sowohl petrographisch, chemisch als auch in ihren Nd- und Sr-Isotopenverhältnissen. Die feinkörnigen, intergranular bis subophitischen, schwach porphyrischen Gesteine bestehen hauptsächlich aus Plagioklas und Klinopyroxen. Olivin und Glas erscheinen in geringen Mengen in der Matrix. Einsprenglinge sind Plagioklas und selten Klinopyroxen. Es sind relativ TiO2-reiche (1,6 bis 3,7 Gew.-%) Tholeiite, in denen inkompatible Elemente wie Sr, K, Ba, Nb, P, Zr, Ti gegenüber N-MORB angereichert sind, und deren Zr/Nb-Verhältnisse zwischen 6 und 15 liegen. Damit ähneln sie im Chemismus kontinentalen Flutbasalten. Positive initiale Epsilon-Nd-Werte von 1,4 bis 4,8 bei Sr-Isotopen-Verhältnissen von 0,7054 bis 0,7072 weisen auf einen Ursprung der Schmelzen aus verarmten Mantelmaterial hin (Estrada & Henjes-Kunst 2004).

Die Basalte der Hassel-Formation sind generell durch relativ hohe Fe- (14,04 - 16,85 Gew.-% Fe2O3 total), Ti- (3,0 - 3,8 Gew.-% TiO2) und K-Gehalte (0,79 - 1,5 Gew.-% K2O) gekennzeichnet. Dabei lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Zu einer westlichen, P-reichen Gruppe (1,2 Gew.-% P2O5) gehören die rund 35 km auseinanderliegenden Basalt-Vorkommen nördlich vom Lake Hazen (zwischen Cuesta Creek und Mesa Creek) und östlich der Turnabout-Gletscherzunge (Abb. 3). Eine östliche, P-ärmere Gruppe (0,34 - 0,41 Gew.-% P2O5) umfasst die Basalt-Vorkommen südlich vom Piper-Pass (Abb. 4) und die rund 25 km weiter nordöstlich gelegenen Vorkommen zwischen Eugene-Gletscher und South-Wood-Gletscher (Abb. 5). Die überwiegend feinkörnigen, aphyrischen, intergranular bis subophitischen (in der westlichen Gruppe auch hypokristallinen, intersertalen) Gesteine bestehen aus Plagioklas, Klinopyroxen, Olivin und Glas.

Basalte der Hassel-Formation östlich des Turnabout-Gletschers (nördliches Ellesmere Island) - Erosionsreste großer Basaltdecken der Kreidezeit. Bergkette im Hintergrund: auf Mesozoikum überschobenes PaläozoikumAbb. 3: Basalte der Hassel-Formation östlich des Turnabout-Gletschers (nördliches Ellesmere Island) - Erosionsreste großer Basaltdecken der Kreidezeit. Bergkette im Hintergrund: auf Mesozoikum überschobenes Paläozoikum. Quelle: BGR

Basalt südlich vom Piper PassAbb. 4: Basalt südlich vom Piper Pass (nördliches Ellesmere Island) überlagert hellen Sandstein der Hassel-Formation Quelle: BGR

Basalte zwischen Eugene-Gletscher und South-Wood-Gletscher (nördliches Ellesmere Island) (Blick nach Osten), vermutlich die Fortsetzung der weiter südwestlich gelegenen Basalte von Abb. 4Abb. 5: Basalte zwischen Eugene-Gletscher und South-Wood-Gletscher (nördliches Ellesmere Island) (Blick nach Osten), vermutlich die Fortsetzung der weiter südwestlich gelegenen Basalte von Abb. 4 Quelle: BGR



Das Alter der Basalte der Isachsen-, Strand-Fiord- und Hassel-Formation ist durch zwischengeschaltete Sedimente biostratigraphisch relativ gut definiert. Tarduno et al. (1998) ermittelten ein Ar/Ar-Plateau-Alter von 95 Ma für die Strand-Fiord-Basalte. Neue radiometrische Datierungen von der BGR sind in Arbeit.

2.2 Vulkanismus der Oberkreide bis unterstes Tertiär

Kap Washington (Nord-Grönland): Beprobung von Alkali-VulkanitenAbb. 6: Kap Washington (Nord-Grönland): Beprobung von Alkali-Vulkaniten Quelle: BGR

Der Vulkanismus von Nord-Grönland (Kap-Washington-Gruppe, Abb. 6) und der kanadischen Arktis (Hansen-Point-Vulkanite, Abb. 7) ist bimodal und teilweise alkalisch. Primitive Glieder umfassen Alkali-Olivin-Basalte, Picrobasalte, Basanite bis Trachybasalte, chemisch entwickelte Glieder teilweise peralkalische Trachyandesite, Trachyte und Rhyolithe. Die basischen Vulkanite sind meist porphyrisch und amygdaloid. Sie haben eine fein- bis mittelkörnigen, intergranulare Grundmasse, die aus Plagioklas, Klinopyroxen, Olivin (nicht in den Trachybasalten) und z.T. etwas Glas besteht. Als Einsprenglinge sind Olivin, Plagioklas und Klinopyroxen vertreten. In den porphyrischen Trachyten werden sowohl die feinkörnige Grundmasse als auch die Einsprenglinge aus Alkalifeldspat und Plagioklas gebildet. Die Rhyolithe sind porphyrisch, felsitisch, sphärolithisch oder eutaxitisch ausgebildet, weitgehend entglast und bestehen überwiegend aus Quarz und Alkalifeldspat. Peralkalische Rhyolithe und Trachyte führen außerdem Alkaliamphibol und -pyroxen. Geochemisch zeigen die Vulkanite Intraplatten-Affinität.

Hansen Point (nördliches Ellesmere Island, Kanada): Blaue RhyolitheAbb. 7: Hansen Point (nördliches Ellesmere Island, Kanada): Blaue Rhyolithe Quelle: BGR

In die Kap-Washington-Gruppe sind Oberkreide-Tonschiefer (Campan bis Maastricht) eingeschaltet (Batten et al. 1981). Frühere Arbeiten von Larsen (1982) sowie neue, in der BGR durchgeführte Rb/Sr-Gesamtgesteinsdatierungen an den Rhyolithen ergaben ein Alter von 64 ± 3 Ma, was für eine Dauer des Vulkanismus bis ins unterste Tertiär spricht. Ein Ar/Ar-Stufenaufschluss an einem Amphibol-Konzentrat aus einem Rhyolith ergab ein Minimum-Alter von 38 Ma (Eozän), das als Alter einer hydrothermalen Überprägung der Gesteine während der kompressiven Tektonik interpretiert wird (Estrada et al. 1999 b).

Für Sedimente, die in die Hansen-Point-Vulkanite eingeschaltet sind, ist biostratigraphisch ein Alter von Turon bis Maastricht möglich (Embry 1991). Ein Rhyolith, der auf 88 +20/-21 Ma (U/Pb-Zirkonalter) datiert wurde, enthält ererbten Zirkon aus einer 1,15 Ga alten Quelle (Trettin & Parrish 1987). Eine neue, in der BGR durchgeführte Rb/Sr-Gesamtgesteinsdatierung an 4 Trachyten und peralkalischen rhyolithischen Ignimbriten ergab 80 ± 2 Ma (Campan). Die K/Ar-Gesamtgesteinsdatierung an vorerst einer Probe lieferte ein Alter von 64 Ma (Estrada & Henjes-Kunst).

Die Basalte beider Vorkommen haben initiale Epsilon-Nd-Werte von 1,4 bis 5,9 und Sr-Isotopen-Verhältnisse von 0,7023 bis 0,7057. Die Trachyte bis Rhyolithe der Hansen-Point-Vulkanite haben ähnliche Werte: 1,5 bis 5,1 bzw. 0,7037 bis 0,7041. Diese Werte zeigen, dass die Gesteine aus Schmelzen entstanden sind, die einen gemeinsamen Ursprung aus einem an inkompatiblen Elementen leicht angereicherten Mantelreservoir haben. Niedrigere Epsilon-Nd-Werte (-4 bis 0,5) und höhere Sr-Isotopen-Verhältnisse (0,7046 bis 0,7066) für die Kap-Washington-Rhyolithe weisen auf Beeinflussung der Mantel-Schmelzen durch Assimilation von Gesteinen aus der Unterkruste hin.

2.3 Ganggesteine ("Dykes" und "Sills")

Sills in Trias-Sedimenten nordöstlich der Eureka-Station (Ellesmere Island)Abb. 8: Sills in Trias-Sedimenten nordöstlich der Eureka-Station (Ellesmere Island) Quelle: BGR

Basaltische Ganggesteine (Dykes und Sills) sind in der Umgebung aller Vulkanit-Provinzen verbreitet. Bei den in der Umgebung der Eureka-Station auf Ellesmere Island in mesozoischen Sedimenten vorkommenden Sills und Dykes könnte es sich auf Grund petrographischer und chemischer Ähnlichkeiten um intrusive Äquivalente der Basalte der Isachsen-Formation handeln (Abb. 8). Altersbestimmungen liegen noch nicht vor.







3 Plattentektonische Interpretation

Paläogeographische Rekonstruktion für die Ober-Kreide: Vulkanismus vor der Öffnung des Eurasischen BeckensAbb. 9: Paläogeographische Rekonstruktion für die Ober-Kreide: Vulkanismus vor der Öffnung des Eurasischen Beckens Quelle: BGR

In der Kreidezeit bildeten Nordamerika, Grönland und Eurasien eine zusammenhängende Landmasse. Während sich das Kanada-Becken bereits öffnete, waren das Eurasische Becken des Arktischen Ozeans und der Nord-Atlantik noch geschlossen. Episodenhaft auftretende vulkanische Aktivitäten kündigen den Zerfall dieses Großkontinents und die Öffnung neuer Ozeanbecken mit dem Beginn des Tertiärs an (Abb. 9).

Die in Nord-Kanada während der Unterkreide (bis zur untersten Oberkreide) geförderten Basalte bildeten möglicherweise gemeinsam mit zeitlich und chemisch ähnlichen Vulkaniten von Franz-Josephs-Land (u.a.Campsie et al.1988, Bailey & Brooks 1988, Dibner et al. 1992, Ntaflos & Richter 1998) und Svalbard (u.a. Burov et al. 1977, Maher 1999) eine große kontinentale Flutbasaltprovinz. Tarduno (1998) bezeichnete diese als "High Arctic Large Igneous Province".

Die bimodalen, teilweise alkalischen Vulkanit-Suiten von Nord-Kanada ("Hansen-Point-Vulkanite") und Nord-Grönland (Kap-Washington-Gruppe) sind vermutlich in einem später nicht mehr aktiven Zweig ("failed rift") einer großen kontinentalen Riftzone entstanden, welche der vor ca. 56 Ma (Srivastava & Tapscott 1986) beginnenden Öffung des Eurasischen Beckens des Arktischen Ozeans voranging.

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