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II/07: Baumeister Natur: „Wellblech“ im Dienste der Stabilität?

Das Sammlungsobjekt des Quartals

Stark zerschlitzte Lobenlinie von Eoderoceras sp. aus dem Unteren Jura  (Unteres Pliensbachium)Eoderoceras sp., Fundort: Bielefeld, Nordrhein-Westfalen, Alter: Unteres Pliensbachium. Stark pyritisierter Steinkern mit rot hervorgehobener Lobenlinie (Ausschnitt) Quelle: BGR; Foto: Bernd Kleeberg

Ammonoidea, vereinfacht auch Ammoniten genannt, sind eine uns heute nur als Fossilien bekannte Tierordnung. Sie gehören in die Verwandtschaft der Cephalopoden (Kopffüßer, Tintenfische) und sind damit dem Stamm der Mollusken, zu denen auch Schnecken und Muscheln gehören, zuzuordnen.

Ammoniten sind seit 65 Millionen Jahren ausgestorben. Lediglich ein ferner Verwandter, der Nautilus (Perlboot), hat bis heute überlebt und gilt damit als „lebendes Fossil“. Heute kann man entsprechend ihrem Lebensraum Meer fossile Ammoniten-Gehäuse in marinen Sedimentgesteinen finden. Die Gehäuse bestehen aus einer einteiligen symmetrischen Röhre, die überwiegend in einer Ebene spiralig (planspiral) aufgerollt ist. Intern ist der hintere Gehäusebereich durch wellblechartig gefaltete Kammerscheidewände (= Septen) in Kammern unterteilt. Dieser Bereich dient dem Tier als hydrostatisches Auftriebsorgan, indem es das Volumen der Kammerflüssigkeit reguliert. So kann es in der Wassersäule vertikal auf- und absteigen. Der große vorderste Gehäuseabschnitt ist nicht gekammert und dient als Wohnbereich des Tieres. Er ist häufig nicht oder nur teilweise fossil überliefert.

Die Steinkern-Erhaltung ist unter den Fossilfunden die häufigste Variante. Nach dem Tod des Tieres dringt Sediment in das Gehäuse ein, füllt es aus und bildet so die Gehäuseform nach. Die ursprüngliche aragonitische Schale ist beim Steinkern weggelöst. Dadurch ist die Verwachsungsnaht der Kammerscheidewände mit der Innenseite der Gehäuseröhre gut zu sehen. Diese Verwachsungsnaht wird Lobenlinie genannt und ist ein wichtiges Merkmal bei der Bestimmung der Fossilien, da sie sehr unterschiedlich ausgebildet sein kann – von einfach gewunden bis kompliziert verästelt.

Die möglichen Funktionen von Septen und Lobenlinien werden kontrovers diskutiert. Die klassische Meinung besagt, dass die komplexe Gestalt dieser Elemente dem Gehäuse Stabilität gegen äußeren Druck verleiht und sie bis in einige hundert Meter Wassertiefe vordringen konnten. KEUPP (2000) dagegen erläutert, dass die Septen- und Lobendifferenzierung in Zusammenhang mit einer Effizienzsteigerung beim Fluten mit bzw. Entleeren der Kammern von der Kammerflüssigkeit steht. Dadurch hatten die Ammoniten bei Angriffen von Fressfeinden, wenn z.B. einem Ammonit durch den Biss eines Raubtieres an Gewicht verliert, die Möglichkeit eines schnellen hydrostatischen Ausgleiches und konnten so ein unkontrolliertes Auftreiben vermeiden.

Eoderoceras sp. mit stark zerschlitzer Lobenlinie,  Unterer Jura (Unteres Pliensbachium)Eoderoceras sp. mit stark zerschlitzer Lobenlinie, Unterer Jura (Unteres Pliensbachium) Quelle: BGR; Foto: Bernd Kleeberg

Unverfüllte Innenwindung von Euaspidoceras perarmatum mit Septen (Oberer Jura, Oxfordium)Unverfüllte Innenwindung von Euaspidoceras perarmatum mit Septen (Oberer Jura, Oxfordium) Quelle: BGR; Foto: Bernd Kleeberg

In der oberen und der linken Abbildung von Eoderoceras sp. (Fundort: Bielefeld, Nordrhein-Westfalen; Alter: Unterer Jura, Unteres Pliensbachium, ca. 190 Millionen Jahre alt) ist die Lobenlinie mit roter Farbe besonders hervorgehoben. Sie hat ein baumartiges Verzweigungsmuster mit zur Mündung vorspringenden Bögen (= Sättel) und nach hinten neigenden, hier spitz zulaufenden Loben. Eine solch stark zerschlitzte Lobenlinie ist typisch für die Ammoniten der Jura- und Kreidezeit. Bei dem Fossil handelt es sich um einen stark pyritisierten Steinkern.

Rechts: Die mittelgroße Form des Euaspidoceras perarmatum (SOWERBY) (Fundort: Stettin?, Mecklenburg-Vorpommern, Alter: tiefer Oberer Jura, Mittleres Oxfordium, ca. 150 Millionen Jahre alt) zeigt die ganz besonders seltene dreidimensionale Erhaltung der Lobenlinie in einer nicht vom Sediment verfüllten Windung. Gut ist die kompliziert verästelte Anwachsnaht der Septen an der Gehäuseinnenseite zu erkennen. Die Septen selbst sind viel einfacher geschwungen.

Macrocephalites sp. mit stark zerschlitzter Lobenlinie aus dem höheren Mittleren Jura (Callovium).Macrocephalites sp. mit stark zerschlitzter Lobenlinie aus dem höheren Mittleren Jura (Callovium). Quelle: BGR; Foto: Bernd Kleeberg

Macrocephalites sp., gleiches Exemplar wie links, Seitenansicht mit Septen-AnschnittMacrocephalites sp., gleiches Exemplar wie links, Seitenansicht mit Septen-Anschnitt Quelle: BGR; Foto: Bernd Kleeberg

Bei der großen Form des Macrocephalites (Fundort: Porta Westfalica, Nordrhein-Westfalen) aus dem höheren Mittleren Jura (Callovium, ca. 155 Millionen Jahre alt) mit dem halbelliptischen Querschnitt ist auf der einen Gehäuseseite die zerschlitzte Lobenlinie klar zu erkennen (links). Die andere Gehäuseseite ist stärker erodiert und zeigt somit einen Schnitt durch die einfach geschwungenen Septen (rechts). Somit ist die scheinbare Asymmetrie im Aufbau der Lobenlinie auf den unterschiedlichen Erhaltungszustand der Gehäuseseiten des Fossils zurückzuführen.

Alle abgebildeten Fossilien befinden sich in der Stratigraphischen Sammlung der BGR, Dienstbereich Berlin.

Weiterführende Literatur:

Keupp, H. (2000): Ammoniten: paläobiologische Erfolgsspiralen. – 165 Seiten, Thorbecke SPECIES, Bd. 6; Stuttgart.

Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.

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Kontakt

    
Dipl.-Geol. Anke Bebiolka
Tel.: +49-(0)30-36993-248
Fax: +49-(0)30-36993-100

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