II/14: Vielfältiger Raseneisenstein: Bodenhorizont, Erz und Baustein
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Manche norddeutsche Kirchen, zum Beispiel in der Region Hannover, lassen ortsfremde Besucher rätseln, aus welchem Material sie erbaut sind – der fleckige, bräunliche oder rötliche, inhomogene Baustein erinnert eher an Schlacke, als an ein Sedimentgestein. Weder noch, per Definitionem handelt es sich um einen Bodenhorizont: Raseneisenstein.
Raseneisenstein ist ein rotbrauner bis dunkelbrauner, mit Eisen(III)hydroxid (vorwiegend Goethit) angereicherter Bodenhorizont, der meist in sandigen Sedimenten auftritt. Die Porenstruktur zeichnet häufig ehemalige Wurzelgänge nach. Der Eisengehalt schwankt zwischen 26 und 48 %, im Extremfall auch bis über 70 %. Raseneisenstein entsteht unter Grundwassereinfluss durch Redoxvorgänge im Boden. Im reduzierten, sauerstoffarmen Milieu von Grundwasserböden (Gleye) wird das Eisen gemeinsam mit Mangan gelöst und verlagert. Die Ausfällung erfolgt dort, wo Grundwasser mit hohem Gehalt an gelöstem zweiwertigem Eisen mit Sauerstoff der Bodenluft oxidiert (Oxidationshorizont (Go) von Gleyen). Zunächst bildet sich eine Anreicherungszone aus weichem Eisenocker mit örtlichen Verhärtungen und Konkretionen. Bei länger anhaltender Anreicherung verhärtet die Anreicherungszone zu bis zu einigen Dezimeter mächtigem Raseneisenstein. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Eisenanreicherung durch laterale Verlagerung im Grundwasserstrom erfolgt. Aus bodenkundlicher Sicht werden weiche (Gso), konkretionäre (Gkso) und bankige, verfestigte Raseneisenstein-Horizonte (Gmso) unterschieden. Die Böden werden als Brauneisen-Gleye eingestuft. Zu finden sind auch mehrere Raseneisenstein-Horizonte übereinander, die dann Änderungen der Wasserstände im Bodenprofil anzeigen.
Die bankigen, harten Vorkommen des Raseneisensteins haben eine Ausdehnung von einigen Metern bis wenigen Dekametern. Die Horizonte mit weichen Konkretionen treten dagegen in den betroffenen Niederungen verbreitet auf. Die Entwässerungsgräben fallen hier durch die ockerfarbenen Eisenausfällungen auf. Die landwirtschaftliche Nutzung der Böden ist durch den festen Raseneisenstein eingeschränkt (Grünland). Zur Melioration wurden Brauneisengleye häufig tiefumgebrochen oder tiefgefräst. So finden sich bei Burgdorf (Region Hannover) große Gebiete mit bis zu 80 cm mächtigen gleichmäßig rotbraunen Horizonten aus der Fräskultur. Die Tiefumbrüche zeigen ein heterogenes Profilbild. An der Oberfläche finden sich bis faustgroße Bruchstücke des Raseneisensteins.
Der Entstehungszeitraum von Raseneisenstein erstreckt sich je nach Vorkommen in der Regel über hunderte bis tausende Jahre. Die Raseneisensteinvorkommen in Norddeutschland entstanden überwiegend während des frühen Holozäns (10.000 - 6.000 Jahre vor heute). Die Raseneisenstein-Bildung ist auch aus den wärmeren Interstadialen (z.B. vor 30.000 Jahren) oder Interglazialen (vor 120.000 bis 100.000 Jahren) bekannt (entsprechende Hinweise wurden im Schotterkörper der Rheinterrassen am unteren Mittelrhein nachgewiesen).
In Niedersachsen kann Raseneisenstein insgesamt auf einer Fläche von circa 66 km2 nachgewiesen werden. Davon sind etwa 11 km2 durch Tiefkulturmaßnahmen melioriert. Über 95 % der Vorkommen finden sich in den spätweichselzeitlichen Talsandniederungen und Niederterrassen (Bildung vor 20.000 bis 10.000 Jahren) und damit vergesellschafteten Auensanden. Nur ca. 1 km2 findet sich in der grundwasserfernen Geest. Für Schleswig Holstein werden in der Summe von circa 36 km2 mit potenziellen Vorkommen von Brauneisengleyen angegeben. Davon sind ca. 2 km2 tiefumgebrochen. Nach neueren bodenkundlichen Kartierungen in Niedersachsen sind die Vorkommen häufig eng mit geringmächtigen, spätweichselzeitlichen Hochflutlehmen assoziiert. Die lehmigen Hochflut-Sedimente haben primär gegenüber den Talsanden deutlich höhere Eisengehalte und wären als Lieferquelle für das Eisen denkbar. Heute treten diese Sande als bleiche eisenverarmte Go-Horizonte in Erscheinung.
Raseneisenstein wurde schon seit der Eisenzeit abgebaut und zur Eisengewinnung verhüttet. Er wurde deshalb auch als Raseneisenerz bezeichnet. Der harte Raseneisenstein wurde zudem häufig für den Bau von Mauern, Fundamenten und Gebäuden, etwa von Kirchen, verwendet. Auch Ortsnamen, beispielsweise Isernhagen (Eisen und Wald) in der Wietze-Niederung nördlich von Hannover gehen auf das Vorkommen des Raseneisensteines zurück.
Raseneisenstein und Brauneisengleye haben durch ihre Entstehung, ihr Vorkommen und ihre Nutzung eine besondere Bedeutung als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.
Literatur
Ad-hoc-AG Boden (2005): Bodenkundliche Kartieranleitung. - Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung; Hannover.
Arnold, B. (2005): Verwitterung und Konservierung von Objekten aus Raseneisenstein. [Weathering and conservation of bog iron objects.] – Z. dt. Ges. Geowiss., 156, 151–158.
Graupner, A. (1982): Raseneisenstein in Niedersachsen. Entstehung, Vorkommen, Zusammensetzung und Verwendung. Forschungen zur niedersächsischen Landeskunde, 118, 180 S.; Göttingen.
Kaczorek, D. & Sommer, M. (2003): Micromorphology, chemistry, and mineralogy of bog iron ores from Poland.- Catena, 54, 393–402.
Kaczorek, D., Sommer, M., Andruschkewitsch, I., Oktaba, L., Czerwinski, Z. & Stahr K. (2004): A comparative micromorphological and chemical study of ‘‘Raseneisenstein’’ (bog iron ore) and ‘‘Ortstein’’.- Geoderma, 121, 83–94.
Lüder, R. (1965): Zur Entstehung von Raseneisenstein im Emstal bei Meppen.- Geol. Jahrb, 221-234; Hannover.
Link
Steckbriefe Brandenburger Böden: Gley mit Raseneisenerde
Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
Zum Katalog der Sammlungsobjekte
Kontakt