TZ Jordanien: Das landesweite Grundwassermodell als Basis für den National Water Master Plan
Beitrag zum Projekt:
Grundwassereinzugsgebiete und grenzüberschreitende Nutzung
Quelle: BGR
Problemstellung:
Das Haschemitische Königreich Jordanien gliedert sich mit dem Hochland, dem Senkungsgraben des Jordan und der Wüste in drei physiographische Regionen und ist von einer Kombination aus mediterranem und trockenem Wüstenklima geprägt.
Bei einer Gesamtfläche von 89.206 km² wird das Land von 5,8 Millionen Menschen (2005) bewohnt. Infolge der unterschiedlichen klimatischen und damit wasserrelevanten Lebensbedingungen konzentriert sich der Grossteil der Bevölkerung auf wenige Ballungsräume, insbesondere aber auf den Raum Amman-Zarqa. Allein im Großraum von Amman leben 1,9 Millionen Menschen. Da Jordanien mit ca. 3% eine der höchsten Bevölkerungswachstumsraten weltweit hat, wird die ausreichende Wasserversorgung auch ein zentrales Thema der Zukunft bleiben.
Jordanien gehört zu den zehn Ländern mit den geringsten pro Kopf verfügbaren und erneuerbaren Wasservorräten und erleidet seit vielen Jahren eine Wasserkrise. Obwohl Jordanien mit täglich ca. 90 Litern pro Kopf den niedrigsten Wasserkonsum im Nahen Osten hat, verbraucht das Land dennoch mehr Wasser als auf natürliche Weise durch Niederschläge (Grundwasserneubildung) und Flußwasser (Jordan und Yarmuk) nachgeliefert wird. In zunehmendem Maße werden nunmehr auch die nichterneuerbaren fossilen Grundwasservorräte ausgebeutet.
Da der Hauptanteil des Wasserbedarfs durch Entnahmen aus dem erneuerbaren Grundwasser gedeckt wird, führt diese Übernutzung zu erheblichen Absenkungen des Grundwasserspiegels mit den Konsequenzen des Trockenfallens von Brunnen und Feuchtgebieten. Konkurrierende Nutzungsansprüche von Bevölkerung, Landwirtschaft und Industrie gefährden die sichere landesweite Wasserversorgung auch unter dem Aspekt der Wasserqualität: infolge der Übernutzung dringt salzhaltiges Wasser bereichsweise in Süßwasserleiter ein, und der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft sowie die zum Teil noch ungeregelte Entsorgung von Müll und Abwasser stellen ein hohes Verschmutzungsrisiko für das Grundwasser dar.
Projektziel:
Der Schutz der Wasserressourcen vor Verunreinigung und Übernutzung ist Kernpunkt der BGR-Kooperationsprojekte mit den Wasserbehörden Jordaniens. Seit ca. 30 Jahren beteiligt sich die BGR am Ausbau entsprechender Fachkompetenzen, u.a. bei der Erkundung und Bewertung von Grundwasservorkommen in ganz Jordanien. Ein wesentliches Planungsinstrument zur nachhaltigen Bewirtschaftung und zum Schutz der Grundwasserressourcen in Jordanien stellt der „National Water Master Plan“ (NWMP) dar, der von der BGR in den Bereichen hydrogeologische Grundlagen und Wasserbilanzen unterstützt wird. Die Wasserbilanzen werden aktuell aus einem landesweiten Grundwassermodell berechnet, welches BGR und das Ministerium für Wasser und Bewässerung gemeinsam entwickelt haben.
Das Grundwassersystem in Jordanien ist Teil eines regionalen Systems, das sich in den Anrainerstaaten Syrien, Irak und Saudi Arabien fortsetzt. Es besteht aus einer komplexen Abfolge von Basalten, Kalk- und Sandsteinen, die durch gering durchlässige bis nahezu undurchlässige Gesteinsformationen (Mergel, Ton und Schiefer) voneinander getrennt sein können. Näherungsweise lässt sich das Grundwassersystem in zwei Fließsysteme aufgliedern. Das obere System aus Basalten und Kalksteinen wird durch die jährlichen Niederschläge in den Hochlagen des Landes gespeist und entwickelt eine oberflächennahe Grundwasserdynamik mit natürlichen lokalen Abflüssen und Quellaustritten; der Grundwasserstrom ist generell auf die Geländedepression des Wadi Sirhan im Osten des Landes ausgerichtet. Das tiefe System der Sandsteinformationen ist mit fossilem Wasser gefüllt, das im Wesentlichen vor Jahrtausenden unter den damaligen günstigen Klimabedingungen (Feuchtzeit) gebildet wurde. Dieser Grundwasserstrom ist generell auf die Tieflagen des Jordangrabens ausgerichtet und speist letztlich in das Tote Meer ein, dessen Wasserspiegel bei ca. 400 m unter Weltmeeresniveau liegt. Lokal zutage tretende Partien des Sandsteinkomplexes erfahren nur im Nordteil des Landes eine rezente Neubildung; die großen Sandsteinausstreichflächen im Süden des Landes stellen unter dem heutigen dort vorherrschenden Zustand der Dürre keine Grundwasserneubildungsgebiete mehr dar.
Präsentation der Projektergebnisse
Quelle: BGR
Projektergebnisse:
Das räumliche Grundwasserströmungsmodell bedeckt eine Fläche von ca. 100.000 km² und berücksichtigt zehn hydrogeologische Einheiten (Gesteinsformationen), die bis zu einer Tiefe von ca. 2.000 m abtauchen. Aus geohydraulischen Gründen wurden Teile Saudi Arabiens (Wadi Sirhan und Gebiete südlich der jordanischen Landesgrenze) mit in das Modell einbezogen - Wasser kennt keine politischen Grenzen.
Ausgehend von einer mit diesem Modell berechneten Grundwassersituation unter der Annahme nahezu natürlicher, idealerweise nicht von Förderaktivitäten beeinflusster Bedingungen, simuliert das Modell die Entwicklung des Grundwassersystems in Jordanien während der letzten drei Jahrzehnte unter Berücksichtigung der jeweiligen Niederschlagsereignisse und Grundwasserentnahmen.
Das anhand von Wasserstandsbeobachtungen und Abflüssen abgeglichene Modell stellt somit ein wesentliches Instrument dar, das geeignet ist, die aktuelle Grundwassersituation nachzubilden und darüber hinaus die Auswirkungen geplanter Strategien zur Grundwasserförderung zu prognostizieren. Die möglichen Auswirkungen werden in Form von Wasserspiegelabsenkungen und Grundwasserbilanzen (auch für ausgewählte Teilgebiete wie z.B. Verwaltungseinheiten oder Wassereinzugsgebiete) dargestellt. Exemplarisch wurden mit dem Modell bereits zwei Strategieszenarien simuliert, die sich an den Zukunftsplanungen des NWMP orientieren und die möglichen Auswirkungen bis zum Jahre 2050 vorausberechnen.
Alle wasserwirtschaftlichen Maßnahmen bedeuten eine Veränderung des Grundwassersystems und können grenzüberschreitende Auswirkungen haben. Daher verlangen Aktivitäten im großen Maßstab aus Gründen der Konfliktvermeidung nach überregionalen Vereinbarungen und nach einem Informationsaustausch auf internationaler Ebene. In diesem Zusammenhang sind insbesondere das Wadi Sirhan, die Südregion Jordaniens und im Norden der Basaltkomplex um den Jabal Arab von hohem bilateralen Interesse für eine gemeinsame Bewirtschaftung.
Grundwasservorräte und Verbrauch
Quelle: BGR
Im Hinblick auf die erneuerbaren Grundwasservorräte ist der jordanische Wasserhaushalt von einem dramatischen Defizit zwischen dem natürlichen Dargebot und dem Wasserverbrauch gekennzeichnet. Als Mittelwert aus den Jahren 1980 bis 2004 hat eine Niederschlagsmenge von 7.400 Millionen m³ (MCM) zu einer jährlichen mittleren Grundwasserneubildung von 470 MCM geführt; wobei die Extremereignisse von 700 bzw. 185 MCM in den Jahren 1988 und 1999 Jordaniens Abhängigkeit von den Jahresniederschlägen deutlich machen.
Das Wasserdargebot erhöht sich im Nordosten des Landes um den grenzüberschreitenden Grundwasserzustrom aus dem syrischen Bereich des Basaltkörpers an den Flanken des Jabal Arab (68 MCM/Jahr) und landesweit um weitere 42 MCM/Jahr, die im Modellgebiet als Rücklaufmengen aus der landwirtschaftlichen Bewässerung geschätzt werden.
Von diesen insgesamt 580 MCM/Jahr (im Mittel) verliert das Grundwassersystem im Laufe des Jahres Wassermengen auf natürliche Weise, zum Beispiel über Quellaustritte. Der natürliche Grundwasseraustritt hat sich - einhergehend mit dem allgemeinen Absinken des Grundwasserspiegels - mit stetigem Trend seit 1980 von knapp 400 auf unter 300 MCM/Jahr reduziert.
Die verbleibende Dargebotsmenge liegt weit unter der jährlichen Grundwasserentnahme aus dem Reservoir der erneuerbaren Ressourcen, die im Mittel 410 MCM beträgt. Damit ergibt sich in der Gesamtbilanz ein mittleres jährliches Defizit von 135 MCM (mit Spitzenwerten von 400 MCM in den niederschlagsarmen Jahren 1999 und 2000). Im Ballungsbereich von Amman-Zarqa allein beträgt das jährliche Defizit 50 bis 70 MCM.
Die zukünftige Entwicklung des Grundwassersystems in Jordanien wurde mit Modellrechnungen auf der Grundlage von verschiedenen Entwicklungsszenarien abgeschätzt. Bei einer fortschreitenden Übernutzung des erneuerbaren Grundwassers sind bis zum Jahre 2019 zusätzliche regionale Absenkungen des Grundwasserspiegels in der Größenordnung von 5 bis 10 Metern zu erwarten; entsprechende Umweltfolgen würden sich zwangsläufig einstellen.
Prognose für das Entnahmeszenario 2
Quelle: BGR
Zur Vermeidung dieser Folgen sieht der NWMP eine Umstellung der Grundwasserförderung vor. Mit der modifizierten schrittweisen Reduzierung der Entnahmeraten aus den erneuerbaren Ressourcen sollen weitere Grundwasserabsenkungen verlangsamt und langfristig gestoppt werden. Zur Kompensation müssen andere Ressourcen bzw. Potenziale erschlossen werden: zum Beispiel durch die generelle Wassereinsparung (auch im landwirtschaftlichen Bereich über verbesserte Bewässerungstechniken) und durch die verstärkte Entnahme fossiler Grundwässer, die bereits jetzt 90 MCM im Jahr beträgt.
Gegenwärtig fließen jährlich ca. 200 MCM an fossilem Grundwasser als natürliche Entwässerung der Sandsteinkomplexe ungenutzt in das Tote Meer. Eine stärkere Nutzung dieser Wässer ist vorgesehen und wird bis zum Jahr 2019 zu einer regionalen Absenkung um ca. 10 Metern führen. Der verminderte Zufluss zum Toten Meer würde auch zu einer Absenkung des Seespiegels beitragen, der ohnehin schon durch die versiegenden Zuflüsse des Jordan-Flusses stetig absinkt. Eine weitere zusätzliche Absenkung des fossilen Grundwassers um ca. 20 Meter wird sich durch die geplanten intensiven Entnahmen im Disi-Gebiet bis 2050 einstellen.
Literatur:
SCHMIDT, G., SUBAH, A. & KHALIF, N. (2008): Model Investigations on the Groundwater System in Jordan - A Contribution to the Resources Management (National Water Master Plan). In: ZEREINI, F. & HÖTZL, H. [eds.]: Climatic Changes and Water Resources in the Middle East and North Africa; pp 347-359. Springer. doi: 10.1007/978-3-540-85047-2_22